Jude werden bringt keinen Vorteil

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Thema: Bekehrungen

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Grundsätzlich gibt es zwei Wege, den Status eines Juden zu erlangen: durch Geburt oder durch Übertritt. In der Antike nahmen Menschen nicht selten die Religion eines fremden Landes an, wenn sie sich dort niederließen. Auch die Übernahme des Judentums durch Nichtjuden wurde nach dem babylonischen Exil ein häufigeres Phänomen. In griechisch-römischer Zeit nahm die Zahl der Übertritte zum Judentum zu. Besonders die Pharisäer waren eifrige Missionare. Der Evangelist Matthäus sagt von ihnen: "Ihr zieht über Land und Meer, um einen einzigen Menschen für euren Glauben zu gewinnen“ (23,15).

Die Rabbinen hießen also Proselyten willkommen: "Die Tore sind offen zu jeder Stunde, und ein jeglicher, der eintreten will, mag dies tun“ (Exodus Rabba). Einmal übergetreten, genießt der Proselyt alle Rechte eines Juden und muss entsprechend behandelt werden. Es gilt im Übrigen als Sünde, ihn mit seiner nichtjüdischen Vergangenheit zu konfrontieren. Im Mittelalter wurde die Konversion zum Judentum zur Seltenheit, denn auf christlichen Druck war sie oft bei Todesstrafe verboten. Erst die bürgerliche Emanzipation der Juden im 19. Jahrhundert machte die Zulassung von Proselyten wieder möglich. Angesichts der aktuellen Mischehenrate, in den USA ca. 60 Prozent, setzen heute viele jüdische Gemeinden darauf, nichtjüdische Ehepartner aktiv fürs Judentum zu gewinnen. Allerdings wird durch einen Eintritt ins Judentum kein besonderer Vorteil erworben. Mit dem Konzept vom Bund Noachs und seinen sieben Geboten gibt das Judentum allen Nichtjuden die Möglichkeit, vor Gott und den Mitmenschen Wohlgefallen zu erwerben. Als Gerechte unter den Völkern können sie die gleiche geistige und moralische Stufe erreichen, wie der Hohepriester im Tempel.

* Der Autor, Rabbiner, leitet das Abraham-Geiger-Kolleg in Berlin

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