Richtigkeit und Akzeptanz

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Thema: Religiöse Autorität

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Thema: Religiöse Autorität

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Bereits am Anfang meines Berufslebens hat man mir eine Wahrheit mitgegeben, von der ich bis heute überzeugt bin. Es gilt die Gleichung "Erfolg = Richtigkeit x Akzeptanz". Das meiste Pulver - gerade in der Theologie - wird bei der "Richtigkeit" verschossen, die "Akzeptanz" scheint weniger wichtig. In hierarchischen Autoritätsstrukturen kommt die Akzeptanz vielleicht eher submissiv zustande, durch den Gehorsam. Ob man das dann als "Erfolg" werten soll, lasse ich dahingestellt.

Im Judentum fußt die Autorität eines Rabbiners auf der Glaubwürdigkeit der Person, der Stichhaltigkeit der vorgetragenen Argumentation und der Vermittlungsfähigkeit in die Gemeinde hinein. So ohne Weiteres nimmt kaum ein Gemeindemitglied die Position eines Rabbiners hin, jedenfalls nicht, ohne sie selbst kritisch geprüft zu haben. Wer die "Rabbi"-Romane Harry Kemelmans gelesen hat, weiß, dass dies nicht immer eine Quelle der Freude für den Amtsinhaber ist. Aber es drückt aus, dass Gott jedem Menschen gleich zugänglich ist. Jeder Jude hat die Möglichkeit und die Pflicht, sich um das Verständnis der Forderungen Gottes zu bemühen und sie je in seiner Zeit umzusetzen.

Das jüdische Offenbarungsverständnis misst der menschlichen Vernunft einen hohen Stellenwert bei, fordert aber auch den Respekt vor anderen Lehrmeinungen und Positionen. Das Können und die Argumentationskraft stehen im Vordergrund. Wenig Autorität genießt der, der sich bloß auf eine Amtsgewalt beziehen will, um seiner Position Gehör zu verschaffen. Nicht das "Lehramt" regiert, sondern die Vernunft. Und Wohlgefallen vor Gottes Angesicht haben sowieso eher die Umsetzer, die durch ethisches Handeln im Alltag an der Heilung der Welt mitzuarbeiten bereit sind.

* Der Autor leitet das Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam, die einzige Rabbiner-Ausbildungsstätte im deutschen Sprachraum

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