Sonntag in der Universitätsstadt Lund. Man beschließt, den Gottesdienst im ältesten Dom Skandinaviens zu besuchen. Der Eucharistiefeier steht eine Frau vor, würdig im roten Messgewand, neben ihr eine Diakonin. Die Kirche von Schweden versteht sich als Teil der katholischen und apostolischen Kirche. Ihre Bischöfe stehen in der apostolischen Sukzession. So ansprechend hatte die Zelebrantin der Messe vorgestanden, dass ich recherchiere, wer sie wohl war. Lund hatte bis eben eine Bischöfin; Antje Jackelén ist jedoch seit Juni 2014 die Erzbischöfin von Schweden. Sie hatte in Lund bereits eine Vorgängerin, Christina Odenberg - auch die war es nicht. Und auch nicht die Dompröpstin Kerstin Hesslefors Persson. Sondern die Domkaplanin Lena Sjöstrand. Schwedens Kronprinzessin Viktoria ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass man in Schweden kein Problem hat, altehrwürdige Ämter in die Hand von Frauen zu legen. Das gibt mir zu denken. Denn ich treffe wenige Tage später die ersten Rabbinerinnen der vier amerikanischen jüdischen Strömungen in Berlin: Sally Priesand (1972 für das Reformjudentum ordiniert), Sandy Sasso (seit 1974 rekonstruktionistische Rabbinerin), Amy Eilberg (konservative Rabbinerin seit 1985) und Sara Hurwitz (orthodoxe Rabbinerin seit 2009). Sie kamen mit über 30 Amtskolleginnen nach Deutschland, um der ersten Rabbinerin des Judentums zu gedenken: Regina Jonas, 1935 in Berlin ordiniert, wurde 1942 von den Nazis nach Theresienstadt verschleppt. Dort setzte sie ihr rabbinisches Wirken fort, bis sie 1944 in Auschwitz vergast wurde. Sally Priesand trat 1972 ihr Erbe an. Heute ist sie bereits emeritiert. Dass sie Vorreiterin in den USA gewesen ist, hat ihr zeitlebens eine schwere Last aufgebürdet. "Ich wollte einfach nur Rabbinerin sein", sagt sie. Heute gibt es unter den 4000 akademisch ausgebildeten Rabbinern weltweit bereits 1000 Frauen. Ganz einfach.
Der Autor ist Rabbiner und leitet das Abraham-Geiger-Kolleg in Berlin
