Gott und die frauen
In den USA machen Frauen heute bereits mehr als 50 Prozent der Studierenden an Rabbinerseminaren aus. Der Anfang dieser Entwicklung geht viele Jahrzehnte zurück. 1928 predigte zum ersten Mal eine Frau in Deutschland: Lily Montagu auf der Kanzel des Reformtempels in der Berliner Johannisstraße. Sie bemerkte, dass es höchste Zeit sei, dass die jüdischen Frauen von den Galerien der Synagogen heruntersteigen.
Regina Jonas sollte die Frau werden, die diesen Ruf beantwortete. Eine Ordination durch die Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin war ihr jedoch zunächst verwehrt. Und doch hat sie es durchgekämpft, getrieben von ihrem Glauben an die göttliche Berufung und an ihre Liebe zu den Menschen. 1935 stellte Rabbiner Max Dienemann, Geschäftsführer der Vereinigung der liberalen Rabbiner Deutschlands, die Ordinationsurkunde für Regina Jonas aus. 1942 kam sie nach Theresienstadt, 1944 starb sie in Auschwitz. Was für ein tragischer Auftakt.
Erst 1972 ordinierte das reformjüdische Hebrew Union College Sally Priesand, 1976 das liberale Leo Baeck College London Jacqueline Tabick und 1985 das konservative Jewish Theological Seminary in New York Amy Eilberg. Das Abraham Geiger Kolleg an der Universität Potsdam ordinierte 2010 mit Alina Treiger die erste Frau seit Regina Jonas, die wieder in Deutschland ausgebildet wurde. Ein Jahr zuvor hatten die reformjüdische Central Conference of American Rabbis mit Rabbinerin Ellen Weinberg Dreyfus und die Reconstructionist Rabbinical Association mit Rabbinerin Toba Spitzer je eine Frau an der Spitze, die Rabbinical Assembly mit Rabbinerin Julie Schonfeld eine Frau als Generalsekretärin. 90 % der amerikanischen Rabbiner waren damals durch führende Frauen vertreten. Seitdem warten wir darauf, dass Christen und Muslime nachziehen.
Der Autor, Rabbiner, leitet das Abraham-Geiger-Kolleg in Berlin
