Am vergangenen Montag sind in Bielefeld vier neue Rabbiner ordiniert und ein Kantor in sein Amt eingeführt worden. Die Ministerpräsidenten Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfalen) und Bodo Ramelow (Thüringen) waren zugegen, als diese jungen Menschen die Verantwortung übernahmen für den Aufbau und zur Stärke der jüdischen Gemeinschaft. Es war auch die Gelegenheit, den früheren Chef von Accenture Österreich, Leslie Bergman, mit der Würde eines Ehrensenators des Abraham Geiger Kollegs auszuzeichnen. "Ledor Vador nagid godlechah ... Wir werden allen Generationen Deine Herrlichkeit kundtun ..." war in Bergmans Ansprache Ausgangspunkt für die Überlegung, was Juden zu Bindegliedern einer Jahrtausende ungebrochenen Kette mache. Umgehend sei in ihm das Bild von Großvater, Vater und Sohn wirksam, die ein Ritual vollziehen - Gebetsriemen anlegen, zusammen eine Beracha sprechen, gemeinsam lernen oder sich zur Synagoge begeben. Wer könne sich heute schon Frauen dreier Generationen darunter vorstellen? Dabei gibt es sie, denn erst letztes Jahr ordinierte das Abraham Geiger Kolleg mit Julia Margolis, heute Rabbinerin in Johannesburg, die Tochter der Rabbinerin von St. Petersburg, Elena Rubinstein.
Man kann sich also fragen, ob alternative Geschlechterrollen und Familienmodelle, hohe Scheidungs- und Mischehenraten, aber auch verstärkte Adoptionen auf unsere Vorstellungen Einfluss nehmen, wie unser Judentum von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Mir hat die Antwort Leslie Bergmans gefallen: dass es nämlich weitgehend von den jungen, Verantwortung tragenden Rabbinern, Kantoren und Laien abhängen wird, wie ein solches Bild zeitgemäße Ausprägung erfahren kann. Rabbi Schneur Salman aus Reussen hat es so gesagt: "Darum fragt Gott eigentlich jeden Menschen zu jeder Zeit:'Wo bist du in deiner Welt?'"
Der Autor ist Rabbiner und Direktor der School of Jewish Theology an der Universität Potsdam
