Erinnerung an "Nostra Aetate"

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Der Tübinger evangelische Systematiker Christoph Schwöbel hat in seiner theologischen Hermeneutik des christlich-jüdischen Dialogs das Grundgesetz für die Begegnung beider Religionen auf den Punkt gebracht: "Die erste Voraussetzung eines christlich-jüdischen Dialogs ist die Anerkennung der Eigenständigkeit der Gesprächspartner. Diese Eigenständigkeit schließt ein, dass die Dialogpartner ihre Positionen jeweils selbst bestimmen müssen und die so selbst bestimmten Positionen von dem anderen Partner anerkannt werden. Was für den Dialog erforderlich ist, ist die Bestimmung des je Eigenen und die Anerkennung des Anderen als eines für sich Eigenen." In diesen Tagen begehen wir den 50. Jahrestag des Konzilsdokuments Nostra Aetate, mit dem die katholische Kirche dem Judentum diese Eigenständigkeit schließlich zugestanden hat (vgl. Seite 3-5 dieser FURCHE). Das Judentum sollte ab da nicht mehr wie die nutzlose Hülle einer Raupe betrachtet werden, aus der schon lange durch Jesus Christus der Schmetterling des Christentums geschlüpft ist. Seither sind sich katholische Kirche und Judentum näher gekommen, als man zu hoffen gewagt hatte. Das ist der Grund, warum eine Delegation der Potsdamer Jüdischen Theologie vom 26. bis 28. Oktober an einer Tagung der Gregoriana in Rom teilnehmen, die Nostra Aetate würdigt. Das Umfeld Roms und der Familiensynode gibt den Worten Schwöbels noch eine ganz andere Wendung. Viele Juden tun sich nämlich schwer mit Zölibat, Ausgrenzung von Homosexuellen, Verweigerung der Ehescheidung und begrenztem Zugang von Frauen in religiöse Leitungsämter. An der Gregoriana können die angehenden Rabbiner sich darin üben, die "Anerkennung des Anderen als eines für sich Eigenen" auszutesten. Das Ziel des Dialogs ist nämlich nicht die Verwischung der Unterschiede. Der Dialog soll das Trennende erträglich zu machen.

Der Autor ist Rabbiner und Direktor der School of Jewish Theology an der Universität Potsdam

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