Der unverzichtbare Dialog der Religionen

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Gemeinsamkeiten der Religionen und deren Grenzen: Die gegenwärtige multireligiöse Weltgesellschaft steht vor großen Herausforderungen.

"Was ist der Mensch? Was ist Sinn und Ziel unseres Lebens? Was ist das Gute, was die Sünde? Woher kommt das Leid, und welchen Sinn hat es? Was ist der Weg zum wahren Glück? Was ist der Tod, das Gericht und die Vergeltung nach dem Tode? Und schließlich: Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?“ Auf diesen Punkt bringt die Erklärung "Nostra Aetate“ des II. Vatikanums die gemeinsame Basis der Religionen der Welt. Für die katholische Kirche war diese Erkenntnis vor bald 50 Jahren ein Bahnbruch - und wird vom traditionalistischen Rand, etwa den Lefebvrianern, bis heute als inakzeptabler Sündenfall und als Aufgabe des Wahrheitsanspruches ihrer Kirche abgelehnt.

Die multireligiöse Gesellschaft

Dennoch wagt niemand zu bestreiten, dass zum einen der interreligiöse Dialog aus religiösen wie auch aus politischen Gründen in der Gegenwart unverzichtbar geworden ist. Die globale Gesellschaft ist multireligiös, und von daher scheint die Abschottung einer Religion von der anderen nicht mehr denkbar. Zum anderen bleibt die Bestimmung der Bedeutung der einzelnen Glaubensüberzeugung im Konzert der Religionen ein zentraler Punkt der Auseinandersetzung.

Wenn in "Nostra Aetate“ etwa davon die Rede ist, dass auch die katholische Kirche "nichts von dem ablehnt“, was in den großen Religionen "wahr und heilig ist“, so hat das kirchliche Lehramt seither Präzisierungen vorgenommen, die diese Erkenntnis eher restriktiv interpretieren.

Vor allem die vom damaligen Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, verantwortete Erklärung "Dominus Iesus“ aus 2000 versuchte der allzu freien Auslegung von Nostra Aetate gegenzusteuern.

Dementgegen hat sich - auch im katholischen Bereich - längst eine "Theologie der Religionen“ entwickelt, welche versucht, ohne die eigene Sicht von Wahrheit oder die Aufgabe der eigenen Relevanz theologisch das Mit- und Nebeneinander von unterschiedlichen Religionen zu argumentieren.

Naturgemäß ist die Nähe und Distanz einzelner Religionen sehr unterschiedlich. Zwischen Judentum und Christentum hat sich seit dem Konzil eine neue, vorher ungekannte, wenn auch im Detail gleichfalls nicht unumstrittene Nähe herauskristallisiert.

Am weitesten wagen sich die Vertreter der - von Rom als Relativismus strikt abgelehnten - "pluralistischen Religionstheologie“ vor (etwa der kürzlich verstorbene John Hick, vgl. FURCHE 07/2012), welche eine gemeinsame transzendentale Basis aller Religionen postulieren, die jedenfalls prinzipiell als legitime Heilswege anerkannt werden können.

Es mangelt aber auch abseits vatikanischer Äußerungen nicht an Bemühungen, Grenzen des Gesprächs der Religionen zu beleuchten und die Unterschiede der einzelnen Glaubensüberzeugungen und -systeme zu thematisieren. Dem US-amerikanischen Religionswissenschafter Stephen Prothero gelingt in seinem Band "Die neun Weltreligionen“ eine diesbezüglich bestechende Bestandsaufnahme.

Der an der Boston University Lehrende nimmt dabei neben den sieben "klassischen“ Weltreligionen (Islam, Christentum, Konfuzianismus, Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Daoismus) auch die Yoruba-Religion, deren weltweite Verbreitung er mit 100 Millionen Gläubigen beziffert, sowie den (neuen) Atheismus religiös in den Blick.

Miteinander theologisch begründet

Prothero redet dabei nicht der Abgrenzung per se das Wort: Er weist aber darauf hin, dass ein allzu vorschnelles Einebnen religiöser Unterschiede die dunklen Seiten in Vergessenheit geraten lasse. Und das gilt, so dieser Gelehrte, für die gewalttätigen Aspekte im zeitgenössischen Islam ebenso wie für den Antijudaismus, der von den Christen aus ihrem Neuen Testament Jahrhunderte lang herausgelesen wurde.

Wo die Religionen der Welt einander begegnen, liegt nach wie vor Konfliktpotenzial in der Luft. Das bedeutet aber keineswegs, dass nicht Wege eines auch theologisch begründeten Miteinander gefunden werden können.

Religion & Religionen

Semesterthema der Theolog. Kurse.

Auftakt: Die Haltung der Kirchen zu den nichtchristlichen Religionen.

Ökumenischer Studiennachmittag mit Roman Siebenrock, Ulrich Körtner … Freitag, 24.2., ab 15 Uhr

Studientag zu "Nostra Aetate“

mit Roman Siebenrock/Innsbruck

Samstag, 25.2., ab 9 Uhr.

Theologische Kurse, Stephansplatz 3, Wien - www.theologischekurse.at

Die neun Weltreligionen

Was sie eint, was sie trennt.

Von Stephen Prothero.

Diederichs 2011.

444 Seite, geb. e 23,70

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