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Inkulturation ja, aber in Grenzen

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Hat die tolerante Haltung des Konzils gegenüber anderen Religionen Missionsarbeit erleichtert oder erschwert? Dazu ein Beitrag aus dem Missionshaus St. Gabriel in Mödling.

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Hat die tolerante Haltung des Konzils gegenüber anderen Religionen Missionsarbeit erleichtert oder erschwert? Dazu ein Beitrag aus dem Missionshaus St. Gabriel in Mödling.

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Das Zweite Vatikanische Konzil war nicht nur das erste der Geschichte, auf dem die Weltkirche durch Bischöfe aus allen Kontinenten vertreten war, das Konzil hat sich auch als erstes ausdrücklich mit einer Theologie der Mission und einer fruchtbaren Auseinandersetzung mit nichtchristliehen Religionen und Kulturen befaßt.

Die dogmatische Konstitution über die Kirche („Lumen Gentium“) umriß das Selbstverständnis der universalen Kirche in ihrer Sendung zu allen Völkern; das Dekret über die Missionsarbeit der Kirche („Ad Gentes“) explizierte die theologischen Aussagen und übersetzte sie in die Praxis des Missionslebens; die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen („Nostra Aetate“) gab der tiefen Wertschätzung Ausdruck, die die Kirche den religiösen Traditionen der Menschheit gegenüber empfindet (vgl. das Sammelwerk von Johannes Schütte, Mission nach dem Konzil, Mainz 1967).

Mehr als in der westlichen Welt gaben diese Aussagen des Konzils in der Dritten Welt Anlaß zu einer Reflexion und einer Neuorientierung der Ortskirchen auf ihre missionarische Sendung in einer bestimmten Kultur und Situation. Schon der vom Konzil gebrauchte Ausdruck „Teilkirchen“ (ecclesiae particulares) oder „Ortskirchen“ unterstrich die Überzeugung der Konzilsväter, daß die Weltkirche nicht mehr in einer einzigen, einheitlichen (europäischen) Kultur ihre Ausdrucksformen findet, sondern in den vielen Kulturen der vielen Völker, die zu unserer Kirche gehören.

Die vom Konzil (Ad Gentes 22) geforderte Bereitschaft der Ortskirchen, aus Brauchtum und Tradition ihrer Völker alles zu entlehnen, was beitragen kann, das Christenleben in diesem Kulturraum recht zu gestalten, wurde von den Ortskirchen Asiens, Afrikas und Ozeaniens mit großer Bereitwilligkeit verwirklicht. Daß die Liturgie in der Ortssprache gefeiert, mit Musik, Gesten und Riten aus der örtlichen Kultur gestaltet wird, daß der Stil der Kirchengebäude, der Ausstattung und der liturgischen Geräte dem örtlichen Kunstverständnis angepaßt sind, wird als selbstverständlich empfunden.. Inkulturation mußte den Ortskirchen helfen, von dem Image e4ner westlich dominierten Kirche mit kolonialer Vergangenheit loszukommen, Inkulturation war notwendig, Verkündigung und Liturgie in einer Weise zu gestalten, daß sie den Menschen dieser Kultur verständlich und anziehend werden.

Inkulturation hat ihre Grenzen: in der Einheit des christlichen Glaubens, in dem weltweiten Kulturwandel, in der vielerorts gegebenen Neigung zu Synkretismus und Relativismus. Es ist absolut notwendig, daß Inkulturation verantwortlich geschieht, getragen von einer kontextuellen Theologie und dem Verständnis der Gemeinden. Aber man muß den für Inkulturation verantwortlichen Kirchenführern, Theologen und Laien eine Zeit des Lernens zugestehen, denn nur die Erfahrung wird erkennen lassen, was gültige Kulturelemente sind, deren Ortskirchen sich für ihr christliches Leben bedienen können.

Die Kirchenkonstitution (Lumen Gentium 16) stellt fest, daß auch Nichtchristen, die Gott aus ganzem Herzen suchen und seinen Willen zu erfüllen trachten, das ewige Heil erlangen können, weil Gott auch ihnen seine Gnade anbietet. Deshalb fordert die Erklärung über die nichtchristlichen Religionen Respekt vor den Religionen und Dialog mit ihren Gläubigen.

Diese neue Haltung entsprang notwendigerweise der Theologie des Vaticanum II; eine Verurteilung der Nichtchristen als „Ungläubige“ ist nicht mehr vertretbar. Damit war aber ein Missio-nierungsmotiv vergangener Jahrhunderte zurückgewiesen.

Die Toleranz gegenüber den Religionen hat die nachkonziliare Missionsarbeit zugleich erschwert und vertieft. Erschwert wurde die Argumentation, warum wir Christen zu den Völkern gesandt sind. Es geht nicht mehr darum, die Religionen beiseite zu schieben, weil sie schlecht sind, sondern es geht darum, in ihnen die Samenkörner des Göttlichen Wortes aufzuspüren, die Gott in sie gesenkt hat (Ad Gentes 11 und 22; Versammlung des asiatischen Bischofsrates in Taipei 1974).

Der Auftrag der christlichen Gemeinde ergibt sich nicht aus dem Umstand, daß die nichtchristlichen Kulturen und Religionen global minderwertig wären, sondern aus der Tatsache, daß Jesus Christus uns eine von Gott gegebene Botschaft für alle Völker gegeben hat, die wir nun in den Kulturen der Völker auszudrücken und zu leben suchen.

Darin liegt unsere große Chance: Die Religionen der Völker, in denen sie eine jahrhundertealte Erfahrung mit Gott zum Ausdruck bringen, bieten uns die Begriffe und Wörter, die Gesten und Riten, die in diesen Kulturen die Begegnung mit dem Göttlichen ausdrücken. Wenn die Christen auch vieles nicht übernehmen können, weil es dem Evangelium widerspricht, so haben wir doch auch vieles zu lernen und zu übernehmen.

Befreiungsprozeß

Dialog ist ein Gespräch zwischen Menschen, die sich gegenseitig annehmen, voneinander lernen, einander ihren Glauben bezeugen. Dialog hat den Monolog abgelöst und damit die Missionierung schwieriger gemacht, zugleich aber auch zukunftsbewußter.

Schon die Konzilsaussagen (Ad Gentes 12), besonders aber die Enzyklika Pauls VI. „Populorum Progressio“ (1967), die Versammlung des lateinamerikanischen Bischofsrates in Medellin (1968) und die Päpstliche Exhortation „Evangelii Nuntiandi“ (1975) haben die innere Beziehung von Evangelisierung und Sorge der Kirche um den notleidenden Menschen nachgewiesen. Der christliche Glaube muß sich in der Tat bewähren, das Wort Jesu ruft uns auf, Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen und die Not der Menschen an ihren Wurzeln zu erfassen. In einem nie zuvor gekannten Ausmaß sind die Ortskirchen der Dritten Welt in den Befreiungsprozeß der Völker hineingestellt, sosehr, daß der lateinamerikanische Bischofsrat in Puebla (1979) den Einsatz für die Armen und den Kampf um Gerechtigkeit und die Menschenrechte als Aufgaben der Evangelisierung erneut mit großer Entschiedenheit proklamierte.

Die Anstöße des Vaticanum II wirken in der Weltkirche bis heute weiter, ja ihre Relevanz ist eher größer geworden denn kleiner. Daß Mittel und Wege im einzelnen noch nicht ausdiskutiert und abgeklärt sind, läßt sich in einer pluralistischen Welt und Kirche erwarten. Was wir brauchen, ist Vertrauen und Geduld und ein großherziges Verständnis für Ortskirchen, die sich in den verschiedenartigen Situationen für die Menschen einsetzen. Wir bekommen von ihnen dafür jene christliche Hoffnung geschenkt, die das Vaticanum II seit 20 Jahren in die Weltkirche hineinstrahlt.

P. Dr. Kurt Piskaty SVD ist Provinzial der österreichischen Provinz der Gesellschaft des Göttlichen Wortes (Steyler Missionare).

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