6855889-1977_15_09.jpg
Digital In Arbeit

Eine neue Katechese für Jugend und Erwachsene

19451960198020002020

Wenn am 30. September 1977 in Rom Papst Paul VI. mit den Repräsentanten des Weltepiskopats zur fünften Session der Bischofssynode zusammentrifft, werden die „Auguren“ der Publizistik neuerdings an der Bewältigung vermeintlicher Rätsel deuteln: Wie denn nun das „Kräfteverhältnis“ des Bischofs von Rom im Vergleich zu den differenzierten Gewichtungen der Teilkirchen beschaffen sei und ob man von „zentralistischen“ Prioritäten und „föderalistischen“ Nachrangpositionen sprechen könne. In Wahrheit ist die Problemlage anders. Sie trägt das Stigma der Nüchternheit an sich. Es werden die Themen der Glaubensunterweisung im Unterricht, vor allem unter Kindern und jungen Menschen, in Rede stehen. Die Katechese tritt ins Rampenlicht bischöflicher Beratungen.

19451960198020002020

Wenn am 30. September 1977 in Rom Papst Paul VI. mit den Repräsentanten des Weltepiskopats zur fünften Session der Bischofssynode zusammentrifft, werden die „Auguren“ der Publizistik neuerdings an der Bewältigung vermeintlicher Rätsel deuteln: Wie denn nun das „Kräfteverhältnis“ des Bischofs von Rom im Vergleich zu den differenzierten Gewichtungen der Teilkirchen beschaffen sei und ob man von „zentralistischen“ Prioritäten und „föderalistischen“ Nachrangpositionen sprechen könne. In Wahrheit ist die Problemlage anders. Sie trägt das Stigma der Nüchternheit an sich. Es werden die Themen der Glaubensunterweisung im Unterricht, vor allem unter Kindern und jungen Menschen, in Rede stehen. Die Katechese tritt ins Rampenlicht bischöflicher Beratungen.

Werbung
Werbung
Werbung

Die 4. Synodalsitzung der Bischöfe unmittelbar vor dem Heiligen Jahr galt dem Bereich der Verkündigung der Frohen Botschaft: der „Evangelisation in unserer heutigen Welt.“ Mit Sorgfalt, aber nicht ohne Emotion waren die verschiedenen Aspekte der Weitergabe der „guten Nachricht“, des Evangeliums, analysiert worden: das Wesen der Evangelisation, ihr Inhalt, ihre Problemstellung mit sehr unterschiedlichen Schwierigkeitsfacetten. Ihre Methodik, ihre praktischen Realmethoden, ihr Verhältnis zur Kultur in den differenzierten Kulturräumen der Nationen, ihre Stellung gegenüber den Etappen sozialen Fortschritts. Diese Themenbereiche wurden in ausschöpfenden und klar strukturierten Ausblicken zusammengefaßt und im apostolischen- Schreiben „Evangelii nuntiandi“ Papst Pauls VI. am 8. Dezember 1975 formuliert.

Wenn die Evangelisation nach Paulus mit einer „Aussaat“ vergleichbar; ist, so repräsentiert die Katechese die „gesamte pastorale Fürsorge, die vonnöten ist, damit die Saat aufgehe und ihren Lebensprozeß bis zur Jahreszeit der Ernte fortzusetzen vermag“. Darin liegt nun - aus der Perspektive des Heiligen Stuhles - die ideale Entfaltung des durch Analyse und Synthese, durch Beobachtung und Schlußfolgerung während der vierten Session der Synode gesammelten Gedankengutes. Nachdem die Grundmauern gelegt worden sind, ist es notwendig, das Gebäude zu errichten und für seine Erhaltung Sorge zu tragen; im Ernährungsprozeß geht man von deMnütter- lichen Grundnahrung für das Kleinkind aus, greift aber bald auf feste und kräftigere Nahrungsmittel zurück; im Erkenntnisprozeß lehrt man vorerst die elementaren Erkenntnisse und in der Folge durchläuft man die Stadien einer steten und immer konsequenteren Vertiefung. Zusammenfassend gesagt: Katechese ist eine Etappe im Prozeß der Evangelisation.

Zeitgemäß gefragt

Im Grundgedanken der Kontinuität nimmt der Aspekt der Aktualität, der zeitgebundenen Eigenheiten und Anpassungen, seinen unabdingbaren Platz ein. Sind doch die Fragen der Katechese und der Katechetik nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil besonders rege zur Diskussion gestanden. Neue Katechismen schossen aus dem Boden der „Hinterfragungen“ und genossen weltweite Publizität: Sie repräsentierten den Versuch einer zeitgemäßen Antwort auf die Postúlate, die von der Mentalität des modernen Lebens ihren Ursprung nahmen.

Die Väter der Synode haben also erneut ihren Blick zu richten auf die kulturelle, die soziale, die psychologisch zu erfassende Umwelt, in der die Menschen leben, wirken und arbeiten müssen. Sie haben sich als besorgte und erfahrene Seelenhirten den existenziellen Notwendigkeiten zu stellen, auf die in unseren Tagen die Pro- blematisierung von Religion überhaupt und Religiosität im besonderen hinausläuft. Und sie werden sich Fragenkreisen gegenübersehen, hinsichtlich den Ansprüchen und Frag-„wür-

digkeiten“ einer zeitgemäßen Katechese, über die man nicht zur keryg- matischen Tagesordnung übergehen kann.

Die besondere Aufmerksamkeit der Bischofssynode wird sich der Welt der Kinder und der jungen Menschen im zweiten Lebensjahrzehnt zuwenden. Standen schon drei Jahre zuvor die Hindernisse zur Debatte, die sich einer Evangelisation Jugendlicher entgegenstellen, so sind es diesmal Motivationen, Zielvorgaben und methodische Einschaltungen, die den Bereich der Glaubenslehre in die Wirklichkeit der Verkündigung umsetzen. „Ihre (sc. der Jugend) ziffernmäßige Zunahme und ihre wachsende Präsenz in der Gesellschaft, die Probleme, die sie bedrängen“, bemerkt Papst Paul VI. in „Evangelii nuntiandi“, „müssen in allen die Sorge erwecken, ihnen mit Klugheit und Eifer das Ideal des Evangeliums zu bieten, das sie kennenlernen und leben können. Anderseits ist es notwendig, daß die im Glauben und im Gebet gut ausgebildeten Jugendlichen immer mehr selbst zu Aposteln der Jugend werden.“

Der Papst zögert nicht, junge Männer und Frauen zu den legitimen „Arbeitern für das Evangelium“ zu zählen. Die 5. Session der Bischofssynode wird ihnen Vorrang einräumen. Sie weisen den Weg auf eine fruchtbare Vertiefung und Verbreiterung apostolischer Erfolge, sie deuten auf lebendige Aspekte für die letzten zwanzig Jahre des 2. Jahrtausends: auf die praktische Nutzung der im jugendlichen Bereich vorhandenen apostolischen Ressourcen, auf die Etablierung missionarisch gesinnter Gruppen, auf Vereinigungen und Verbände im Konzert einer pluralistischen Gesellschaft. Überall mehren sich Zeichen des Aufbruchs nach einer Phase unsicheren Abwartens, regt sich Aktivität, rührt sich der Aufschwung in die Zukunft nach den Maßstäben personaler Verantwortung und gewissensorientierter Lebensgestaltung: wider Rauschgift und Drogen, Kriminalität und Verbrechen, Pornographie und ideologische Verblendung wie indoktri- nierende Verführung. Die Katechese an und für Kinder in geänderten Lebensräumen mit den Bedrohungen physischer und metaphysischer Vergiftung schafft den Staudamm gegenüber den Sturzfluten des folgenden Lebensabschnitts.

Die kulturelle Krise ist es, die den Menschen vor der Jahrtausendwende befallen hat. Die „Kultur“ ist die „Pflege“ des rechten Bildes vom Menschen in der richtigen Relation zur Gesellschaft. Sie stellt die katechetische Tätigkeit vor deren Schicksalsfrage: Soll Glaubenslehre zum „Leerlauf werden, zum Am-Platz-und-auf-der- Stelle-Treten, fernab von dem, was das Herz junger Menschen bedrängt, oder vermag sie ihm das Licht Christi, die Verheißung der Befreiung, der Erlösung von Dunkelheiten und Bedräng nissen anzubieten? Die kulturelle Krise, fordert gebieterisch eine Überprüfung der wesentlichen Inhalte ka- techetischer Bildung und deren überkommener Methodik. Diese Überprüfung sieht nicht in einem „Zustand des Zweifels“ ihren U rsprung -, als ob die Kirche nicht mehr von jener göttlichen Gewißheit getragen wäre, die ihr Überleben in chancenlosen Situationen sichert - als ob das Gottesvolk irre werden würde an dem, in dem seine Sendung rührt und praktisch wirksam wird. Das Problem liegt in der Suche nach adäquaten Verhaltensweisen, nach adaptierten Methoden, um heute die Mission der katholischen Weltkirche glaubhaft zu machen. Diese hat auch die kulturellen Umwälzungen im Blickfeld zu behalten, die die Art und Weise beeinflussen, auf die der Mensch unserer Tage von den religiösen Auffassungen und dem „Heil in Christus“ berührt oder nicht berührt wird.

Ein weiterer Aspekt, der die Beratungen der 5. Session der Bischofssynode berühren wird, ist der pädagogische - aber nicht an der jungen Generation, sondern an der erwachsenen. Kann doch auf dem Gebiet der Religion die Formung des Verstandes und des Gewissens nicht von den charakteristischen Phänomenen unseres historischen, sowohl weltlichen als auch kirchlichen Augenblicks absehen. So hat sich eine erneuerte Katechese an einer erneuerten Liturgie ebenso zu orientieren wie an der vorrangigen

„Erziehung zum Glauben“ vor allenfalls wissensmäßig überprüfbaren Adaptierungen des Lernstoffes durch ältere Menschen. So wird eine Innovation der Katechese die differenzierte soziale Lage in ihren regionalen Unterscheidungen berücksichtigen, den Anteil, der der Schule zukommt, die Chance, sich der Medien zu bedienen. Sie wird nicht zuletzt die Laien als legitime Träger der Glaubenslehre akkreditieren, was seinerseits eine Erneuerung der katechetischen Ausbildung zur Diskussion stellt.

Die Geschichte der Kirche in den nächsten Dezennien wird abhängen von der Glaubenskraft, von der Intensität spirituell beglaubigter Hoffnung und vom Feuer der Liebe, mit der wir aktuelle Fragen zu lösen vermögen. Die Kirche befindet sich in Konfrontation mit der Gleichgültigkeit einer „subapostolischen Ära“, die von uns Mut verlangt und Kreativität, Begeisterung, Schwung, aber auch Phantasie und ein gerütteltes Maß an wissenschaftlich fundiertem Einfallsreichtum im mitmenschlichen und daher auch im katechetischen Verhalten. Wir haben die Wendepunkte der Zivilisation des 20. Jahrhunderts überschritten, die sich als „Entdeckung des Menschen“ vor der „Entdeckung Gottes“, aber auch als totale „Infragestellung“ eben dieses Menschen beschreiben, markieren lassen. An den Bischöfen, an allen Priestern und ihren Mitarbeitern, den Laien, wird es liegen, das post-tridentinische Zeitalter der Kirche zu prägen, zu dynamisieren, aber auch zu stabilisieren. Damit die Kirche erkennbar werde, als Ort der Verheißung, des Hortes und der Geborgenheit, der Sicherheit und des Trostes, aber auch als Transistorium des Gottesvolkes auf der Pilgerschaft zu einem Ziele, das uns vom IHM verheißen ist. Dazu bedarf es einer Katechese, die nach Gefolgschaft ruft.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung