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Klerus und Katholische Aktion

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Was kann demgegenüber zur Stärkung des österreichischen Katholizismus geschehen? Hier können bloß einige Andeutungen oder Anregungen gegeben werden.

1. Es müssen die seelsorglichen Schwerpunkte klar gesehen werden. Sie scheinen uns in folgendem zu liegen:

a) Klerusbildung. Wenn innerkirchlich die religiöse Unwissenheit oder der Mangel an religiösem Wissen die Hauptursache der Krisenerscheinungen im österreichischen Katholizismus ist, dann ist der erste Schwerpunkt der kirchlichen Arbeit im religiösen Unterricht und in der Predigt zu sehen. Diese aber werden wesentlich vom Klerus getragen. Es kann ohne Zweifel von einer Krise der Predigt und Katechese gesprochen werden. Diese Krise ist nur durch eine entsprechende Klerusbildung zu beheben.

Es scheint uns aber. Haß man die Mängel zu sehr in der Methodenfrage und nicht — wie es sein müßte — im Inhaltlichen sucht. Entscheidend in der Klerusbildung ist eine solide und zeitoffene dogmatische und biblische Theologie. Und darinmuß die Klcrus-bildung entschieden vertieft werden. Es wird dadurch nicht allein ein tieferes Wissen, sondern auch die Spiritualität des Klerus geformt. Das Geistliche sowie Inkarnatorische der Welt und eine Inkarnationsspiritualität sollen das Tragende im priesterlichen Denken und Wollen sein. Auch die priesterliche Weiterbildung auf Priestertagungen und ähnlichen Veranstaltungen muß in diesem Schwerpunkt verankert sein. Mit der dogmatisch-biblischen Ausrichtung wird ganz von selbst auch die vertiefte liturgische Ausrichtung des Klerus gegeben werden.

Kleruszeitschriften haben auch in erster Linie diesem Anliegen zu dienen.

Wenn der Klerus den neuen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen Gegebenheiten gegenüber unsicher ist und daher auch unentschlossen und sich von den Forderungen dieser Gegebenheiten zurückzieht, dann hat das ebenso seinen Grund in der mangelnden theologischen Festigkeit und Aufgeschlossenheit.

Die Welt von heute muß vom Priester geistlich und religiös bewältigt werden, und er muß in der Zeit seiner Ausbildung, aber auch in seiner priesterlichen Weiterbildung immer mehr instand gesetzt werden, dies zu tun.

Nicht die Beschäftigung mit dem Modernen als solchem: Film, Rundfunk, Fernsehen, Sport und so fort, setzt den Priester in die Lage, das Werk der Weltheiligung zu vollziehen — diese Dinge stehen ja ganz an der Peripherie —, sondern die Fähigkeit, die Welt von heute aus den Gedanken des Glaubens und der Offenbarung heraus zu deuten und zu gestalten.

Die erste Aufgabe des Seelsorgers ist die religiöse Unterweisung und die Liturgie. Dieser Aufgabe muß er gewachsen sein und diese Aufgabe muß er mit seiner ganzen Persönlichkeit vollziehen.

Es ist also kirchlicherseits jede mögliche Anstrengung zu machen, um die Katechese, den Religionsunterricht und, die Predigt auf jenes Niveau, zu bringen, das die heutige Situation der Kirche verlangt. Und jedes Versagen in diesen Punkten muß als das eigentliche Versagen von Klerus und Kirche bezeichnet werden.

Ganz besonders muß der Religionsunterricht in der Oberstufe der Mittelschule und jede Form von Erwachsenenkatechese in den Brennpunkten der seelsorglichen Anstrengungen gestellt werden.

Unsicherheit und Unentschlossen-heit müssen von Seiten des Klerus auch überwunden werden in der Gestaltung des Gotteshauses und des Gottesdienstes aus dem echten Geist der Liturgie heraus. Es geht nicht darum, die Volksfrömmigkeit zu verdrängen oder auszuschalten, wohl aber darum, die Frömmigkeit zu vertiefen und auf ihren wesentlichen Mittelpunkt hinzuordnen. Das bedeutet Stärkung des Glaubens.

b) In all den kirchlichen Anstrengungen, die unter den Begriff „K a tholische Aktion“ fallen, sind gleichfalls die eigentlichen Schwerpunkte festzuhalten. Diese scheinen uns aber Erneuerung der Ehe und der Familie sowie Erneuerung der Gesellschaft zu sein. Die Bildungsarbeit ist auf die großen wesentlichen Punkte zu richten. Das heiße gleichzeitig die Einbruchstellen des Unglaubens oder des Irrglaubens schließen und ist wirksamer als alle Ausklärung über Sekten und andere glaubens- und kirchenfeindliche Erscheinungen.

Zur Stärkung des österreichischen Katholizismus scheint uns eine größere Koordination der vielfältigen Einzelinitiativen, eine Lenkung, die die Privatinitiative nicht erstickt, aber sie doch zusammenordnet, notwendig zu sein.

In den einzelnen Diözesen geschieht dies schon in verschieden starkem Grade, aber es ist auch erforderlich, daß der österreichische Katholizismus in den wesentlichen Punkten eine gemeinsame Stoßrichtung habe. Etwas ähnliches wie das „Zentralkomitee der deutschen Katholiken“ scheint uns auch in Österreich notwendig zu werden. Hier wäre eine Initiative der österreichischen Bischofskonferenz sehr zu begrüßen.

Wir haben als einen Grundzug des österreichischen Katholizismus seine Traditionsgebundenheit bezeichnet. Das religiöse Bewußtsein und Gefühl des Volkes, das darin lebt, ist entschieden ein Wert. Jede seelsorgliche Erneuerung muß auf die Erhaltung dieses religiösen Gefii^'es und Bewußtseins Rücksicht nehmi';i. Aber das darf nicht den Blick auf die Notwendigkeiten der Zeit verhüllen. Sonst könnte es unter allen Umständen ein illegitimer Entschuldigungsgrund für die Durchführung notwendiger Reformen sein. Wie schnell findet sich das Volk, auch wenn es noch so traditionsgebunden ist, auf den anderen Gebieten des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens mit großen Wandlungen ab! Wer lehnt heute noch die konfektionelle Massenproduktion in der Bekleidungsindustrie oder den elektrischen Strom, den Traktor oder das Auto ab? Wer bedient sich heute in seiner Arbeit und in seiner privaten Lebenshaltung nicht der Mittel, die ihm der technische Fortschritt bietet? Gewiß “werden auch auf diesem Gebiet viele Fehler begangen. Trotzdem ist die Umstellung notwendig. Können wir im Leben und Wirken der Kirche einfach an den Daseinsund Arbeitsformen vergangener Zeiten unbedenklich festhalten? Vielleicht wirken sich hier Fehler schlimmer aus als auf anderen Lebensgebieten. Es können sich aber auch Unterlassungen auswirken. Ohne Risiko geht es nicht ab. Fehler können wieder korrigiert werden; zu lange Unterlassungen aber sind schwer aufholbar.

Das kommende Konzil hat sich als Ziel vor allem den „a g g i o r n a-m e n t o“ der Kirche, das heißt die Anpassung der Kirche an <lte neue Zeit gestellt. Ist es da nicht passend, daß wir im gleichen Jahr auf einem Österreichischen Katholikentag dasselbe Problem behandeln: in voller Ehrlichkeit und ohne in spielerischer Weise auf Nebcngeleise abzugleiten?

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