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Bananen in Indien schmecken anders

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Francis x. d'sa ist Theologe in Indien. Für ihn ist der Dialog der Religionen Bereicherung und Bewußtmachen der eigenen Identität.

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Francis x. d'sa ist Theologe in Indien. Für ihn ist der Dialog der Religionen Bereicherung und Bewußtmachen der eigenen Identität.

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DIEFURCHE: Sie leben als Christ in Indien - inmitten der südasiatischen Religionen: Wie kann in einem buddhistischen oder hinduistischen Kontext das Evangelium verkündet werden? Francis X. D'Sa: In erster Linie geht es um den Bespekt gegenüber den anderen Traditionen. Ich muß den Ab-solutheitsanspruch auch des anderen anerkennen. Ich spreche aber lieber von Universalitätsanspruch: Die Botschaft der Bibel, ist für jeden gültig, wie auch die Botschaft der Bhagavad-gita, des heiligen Buchs der Hindus. Sobald ich bereit bin, die Tradition der anderen zu akzeptieren, kann ich, wie in Indien, in einer Minderheit von zwei bis drei Prozent Christen leben. Es geht im Dialog der Beligionen um Mitteilen und Zuhören.

DIEFURCHE: Einige Theologen antworten auf das Gegenüber anderer Religionen mit dem Konzept der pluralistischen Religionstheologie. Diese sieht andere Religionen als gleichrangige Heilswege an. Wird damit auf christlichen Absolutheitsanspruch verzichtet? D'S.\: Wenn ich von meiner Mutter sage: „Sie ist die beste Mutter”, dann heißt das nicht, daß die anderen Mütter schlechter sind. Ich stelle damit keinen Absolutheitsanspruch, sondern spreche von meiner Erfahrung. Das, was wir jeweils erfahren haben, ist in unserem Horizont „das Beste”. Auch der Austausch der Beligionen sollte - aufgrund der historischen Bedingtheit jeder Beligion - ein Austausch über unsere Erfahrungen sein.

Jede Beligion hat eine „Junggesellen-Identität” - damit meine ich, sie hat das Selbstverständnis eines Junggesellen: Stellen Sie sich vor, ich habe mich verliebt - und zwar in den Hinduismus: Es entsteht ein Wir-Gefühl; ich erfahre viel Neues. Aber vieles, was ich als Junggeselle getan habe, muß ich aufgeben. Dennoch verliere, ich dadurch meine Identität nicht.

DIEFURCHE: Wie kann dieses neue „Wir-Gefühl” in einemfremden Kontext wachsen? Wie kann ein Wir-Gefühl zwischen Christen und Hindus entstehen, ohne daß eine Religion in der anderen aufgeht? D'SA: Die Beligionen müssen sich in einem neuen Heil der Welt bewahrheiten: Trotz des Christentums gibt es Waffengeschäfte, trotz des Hinduismus gibt es den Krieg. Wir sind unseren Traditionen untreu geworden.

In einem fremden Kontext muß das Christentum ein Gespür für Gotteserfahrung mitbringen. Dieses wird helfen, Gott zu entdecken: auf christliche Weise - und auf die Weise der Einheimischen. Dann könnte, zum Beispiel in Indien, auch die Abwesenheit Gottes durch Ungerechtigkeit und Armut bewußt werden. Nicht als Professoren sollten wir kommen, sondern als überzeugte Gläubige- und unsere Spiritualität zum Ausdruck bringen.

DIEFURCHE: Was ist Ziel des Konzepts einer pluralistischen Religionstheologie? Gleichberechtigtes Gespräch des Christentums mit anderen Religionen oder letztlich doch Missionierung?

D'sa: Wenn jeder Augen hat, wissen wir nicht, daß es Blindheit gibt. Was ich habe, und was ich nicht habe, dafür aber der andere, erkenne ich bewußter durch den Austausch. Das gilt auch für den Dialog der Religionen. Würden viele Menschen spüren, welche Bereicherung die eigene Religion durch den Dialog erfährt, gäbe es auch keine Angst davor.

Es ist die Tendenz jeder Religion, ihre Wahrheit zu verabsolutieren. Wenn ich etwas erlebt habe, habe ich den Drang, dies allen mitzuteilen, missionarisch zu sein. Es ist aber falsch verstandener Missionsgedanke, vom Licht zu reden, statt Licht zu bringen.

DIEFURCHE: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist”, steht in der Konzilserklärung über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen. Gleich darauf schreiben die Konzilsväter: „ Unablässig aber verkündet sie (die Kirche, Anm) und muß sie Christus verkündigen, er ist ,der Weg, die Wahrheit und das Leben', in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat” Führt dieser Anspruch ein Gespräch der Religionen nicht von vornherein in die Sackgasse? D'sa: Der Weg zum Vater führt über Jesus und die Kirche; das stimmt. Das gibt uns der Hinduismus nicht. Das Christentum aber führt uns nicht den Weg zur Ganzheit wie die Bhagavad-gita der Hindus: Diese geht einen anderen Weg auf den Berg als die Bibel.

DIEFURCHE: Kardinal Ratzinger, der oberste katholische Glaubenshüter, betont in letzter Zeit immer wieder, nicht mehr die Theologie der Befreiung sei das zentrale Problem für den christlichen Glauben, sondern der „Relativismus ” im Dialog der Religionen D'sa: Aussagen wie diese reduzieren den Glauben auf ein System von Lehrsätzen. Das Christentum aber ist ein Erleben, das nie vollständig in Sätzen artikuliert werden kann. Für Kardinal Batzinger besteht das Christentum aus mathematischen Sätzen, die entweder stimmen oder nicht. Zum Beispiel die Formel H/): Diese muß so lauten. Auch in Indien können wir nicht sagen „HO”, nur weil wir arm sind. Im Glauben aber geht es nicht um die Gültigkeit einer Formel, sondern um die Gültigkeit einer Erfahrung und darum, ob diese Erfahrung heilsam ist. Es handelt sich hier nicht um logische Wahrheiten, sondern um Wahrheiten einer Liebesbeziehung.

DIEFURCHE: Worauf führen Sie das Bestreben, Glauben in unumstößliche Lehrsätze zu fassen, zurück? D'sa: Wenn für uns etwas nicht begreifbar ist, haben wir Angst. Wir wollen alles begreifen, auch Gott. Das Geheimnis einfach gelten lassen, das macht uns Angst.

DIEFURCHE: Führt aber eine „Abkehr” von Lehrsätzen nicht zu einem je eigenen Evangelium für Inder, für Nord-, für Südafrikaner, für Europäer? D'sa: Die Bananen in Indien schmek -ken anders als die Bananen in Europa. Die Trauben sind anders, wachsen in anderem Klima, auf anderer Erde. Und dennoch sind es Trauben. Auch das Evangelium wird anders gehört, wenn es auf anderem Boden verkündet wird. Ich kann die Bichtung des Evangeliums nicht bestimmen. Ich kann nur hinhören und versuchen zu hören, wo der Geist ist.

DIEFURCHE: 198} sprach Karl Rahner in seiner letzten Veröffentlichung vom „Ritenstreit als neue Herausforderung”. Es ging dabei, vereinfacht gesagt, um das Problem, auf der einen Seite die Einheit von Kult, Kirchenrecht und Glauben zu bewahren, auf der anderen innerhalb der Kirche einen „Pluralismus der 'Theologien” als Antwort auf die Verschiedenheit der Kulturen anzuerkennen Wie steht es um diese Auseinandersetzung heute? D'sa: Schlimm! Wenn wir uns doch befreien könnten vom Bitualismus und lernen, mehr Vertrauen in den Geist zu setzen! Auch vom modernen Management könnten wir einiges lernen: Jede große Firma hat ein „Creative Department”. Die Kirche nicht. Man neigt dazu zu glauben, weil man gesalbt ist, hat man automatisch eine Art Handy zum Heiligen Geist. Wir sollten aber zurückkehren zu der Haltung, daß wir vom Geheimnis abhängigsind, nicht das Geheimnis von uns. Wir sollten nicht unser Tun als maßgebend betrachten, sondern auf den Hauch des Geistes hören.

DIEFURCHE: Tor wenigen Monaten wurde der Theologe Tissa Balasuriya aus Sri Lanka exkommuniziert (FllR-CHE 15/1997). Diese Maßnahme wird von vielen als Maßregelung einer „Asiatischen Theologie” intei-pretiert, die sich im Dialog mit den Religionen der Umgebung entwickelte. D'S\: Eine Institution, die verkündigt, daß die Liebe Mensch geworden ist, geht lieblos mit einem andersdenkenden Theologen um! Das ist ein Versagen dieser Gemeinschaft. Balasuriya ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Die römische Art und Weise, Kirche, Wahrheit, Jesus zu verstehen, soll verallgemeinert werden. Aber viele in Indien akzeptieren das nicht.

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