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Die seit 40 Jahren bestehende Zeitschrift „Herder-Korrespondenz“ feierte mit einer der „Zukunft des Christentums“ gewidmeten Tagung vom 24. bis 26. Oktober in Freiburg ihr Jubiläum.

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Die seit 40 Jahren bestehende Zeitschrift „Herder-Korrespondenz“ feierte mit einer der „Zukunft des Christentums“ gewidmeten Tagung vom 24. bis 26. Oktober in Freiburg ihr Jubiläum.

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Worauf wird es ankommen für uns Christen, wenn auch in Zukunft unser Leben von unserem Glauben bestimmt sein soll, welche Inhalte und welche Entwicklungstendenzen der christlichen Botschaft müßten Vorrang haben? Und wie unterschiedlich zu beantworten ist dies für Christen in Freiburg oder in Peking, in Budapest oder in Nairobi? So verschieden auch die Tagungsreferenten auf diese Fragen zugingen und sie theologisch und von ihrem Erfahrungshorizont her reflektierten — Antwort geben werden die Christen selbst mit ihrem Leben, lautete der gemeinsame Unterton.

Wenn Christen weder eine jede Sozialethik tötende Weltverachtung propagieren, noch aber in ihrer Zuwendung zur Welt restlos aufgehen, wenn sie Freiheit und Würde des einzelnen im Namen Gottes verteidigen — auch gegen diejenigen, die Freiheit und Würde des Menschen im Namen Gottes verletzen, wenn derjenige-ihr Nächster ist, der sich durch sein Handeln als Nächster erweist — dann sieht der französische Politikwissenschaftler, Publizist und Atheist Alfred Grosser in der Relevanz ethischen Handelns und im gelebten Zeugnis den künftigen Entwurf für christliches Leben.

Auf ein von Christen mitbewirktes „normatives Weltbewußtsein“ — und damit ebenfalls auf die ethische Dimension des Glaubens — setzt auch der in Bielefeld lehrende Schweizer Soziologe Franz Xaver Kaufmann. Die Spannung zwischen Individualismus und Universalismus, die dem Christentum eigene Dynamik und seine legitimierende Kraft seien den statischen Weltbildern anderer Religionen grundsätzlich überlegen. Glaubensinhalte müßten für die heutige Zeit neu interpretiert werden, aber vor allem glaubwürdiges Handeln, etwa bei der exemplarischen Lösung sozialer Probleme (Asylantenfrage) oder bei der Entwicklung neuer Formen des Zusammenlebens sei notwendig. (Vielleicht werden in Hinkunft die neuen Basisgemeinden die herkömmlichen Ordensformen ersetzen?)

Unterwegs zu einem weltweit verwurzelten, polyzentrierten Weltchristentum sieht auch der Münsteraner Theologe Johann Baptist Metz die Christen — möglicherweise auf der Flucht aus der Stagnation Europas und abendländischen Theologisierens. Metz tritt für die Besinnung auf die eigene kulturelle Ausprägung ein, da ja abendländische Rationalität gleichzeitig Schutz biete vor einer vornehmlich von den USA ausgehenden „Entmächtigung und Auflösung des Menschen“, die „routinierte glückliche Analphabeten“ und „Voyeure des eigenen Untergangs“ produziere. Gegen ein „kulturell entblößtes Christentum“ sollten die Theologen immer wieder ihre Lehrsätze zu „dechiffrieren“ suchen, biblische Geschichten sollten zur „erzählenden gefährlichen Erinnerung“ werden. Auch Metz stellt die Christen mit ihrem Handeln in den Mittelpunkt.

Auf welche Weise aber werden künftig Christen in nichtchristlichen — sozialistischen — Gesellschaften Gott vertreten können? Für Ungarns Katholiken weist der Erzabt des Benediktinerstiftes Pannonhalma, Andreas Szen-nay auf die in rund vierzig Jahren gewachsene Koexistenz der Christen mit dem marxistisch-atheistischen Regime hin, das sie gerade um ihres Zeugnisses willen respektiert. Aus dem „investierten Kapital“ des Leidens, auch aus Klugheit, Geduld und Selbstdisziplin — und Liebe — motiviertes Handeln würde vom atheistischen Gegner geschätzt, das ehrliche Zeugnis des Lebens ersetze die theoretische Argumentation.

Mit ihrer Hochschätzung für und Sorge um das menschliche Leben tragen afrikanische Christen zu christlichen Lebensperspektiven in der Zukunft bei - jedenfalls nach Meinung des schwarzafrikanischen Theologen Augustine Ndeukoya aus Nairobi. Die in afrikanischen christlichen Gemeinschaften entwickelten lebendigen Theologien machen Hoffnung für die Zukunft des Christentums in der Dritten Welt, berechtigte Forderungen nach Pluralität und nach richtig verstandener Inkulturation könnten auch positiv auf die Christen in der Ersten Welt zurückwirken: „Im Himmel wird es keine Apartheid geben, und dieser Himmel sollte schon auf Erden seinen Anfang nehmen.“

Was kann den Gemeinsamkeiten zwischen Protestanten und Katholiken, der ökumenischen Dimension des Christentums also, in der Zukunft für ein Wert zukommen?

Klaus von Bismarck, ehemaliger Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, setzt auf gelebte und erlebte Ökumene, die von einzelnen Menschen getragen wird, die „synoptisch denken und handeln“. Gegenüber einer hinter freundlichen Gesten lauernden Stagnation entstehe unbeirrt das Bewußtsein einer größeren Gemeinsamkeit. In Mischehen lebende Partner und die selbstverständliche Zusammenarbeit bei konkreten Aktionen bringen in der Bundesrepublik auf vielschichtige Weise Annäherungen zustande.

Gleichzeitig sei allerdings vom größeren Wissen um die historische Verwurzelung der protestantischen Kirchen in bestimmten gesellschaftlichen Schichten und von intensiveren Kontakten mit den Kirchen in der DDR eine ökumenische Distanzierung ausgegangen.

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