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Woraus leben wir?

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Die Frage nach den Quellen christlichen Lebens stand im Mittelpunkt der heurigen österreichischen Pastoraitagung mit dem Thema „Vom Geist christlichen Lebens — Bergpredigt und Weltverantwortung“, die das österreichische Pastoralin- stitut vom 28. bis 30.Dezember 1982 im Bildungshaus Wien-Lainz veranstaltete.

In seiner Eröffnungsansprache an fast 400 Teilnehmer, darunter rund 50 aus den Ostblockstaaten- je ein Teilnehmer kam sogar aus Rumänien und aus der Tschechoslowakei, verwies Kardinal König auf die ständig notwendige Neuzentrierung des christlichen Lebens, auf den vielfach vernehmbaren Ruf nach dem christlichen Geist und auf den Mangel an wahrhaft geistlichen Menschen

im Bereich der Pfarren und auf vielen anderen Ebenen.

Um die Verantwortung in der heutigen Welt wahrnehmen zu können, sollten nach Meinung der Veranstalter zunächst einmal kursorisch die Herausforderungen unserer Gesellschaft an den Christen zusammengefaßt und durch Erfahrungsberichte aus verschiedenen Lebensbereichen ergänzt werden.

Chefredakteur Fritz Csoklich von der Grazer „Kleinen Zeitung“ zeigte in einem großen Bogen die Reaktionen der Kirche und der Theologie auf Strömungen und Ängste unserer Zeit seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf und warnte vor der neuen Einseitigkeit einer Überspitzung spiritueller Aspekte. Resignation und Rückzug ins Private als Reaktion auf Phasen von Struktur- und Gesellschaftsveränderung dürften nicht verhindern, daß der Christ seine Weltverantwortung parallel zur Entfaltung seiner Spiritualität lebe.

Mart müsse zur Kenntnis nehmen, meinte Csoklich, daß eine Rückkehr in die Vergangenheit nicht mehr möglich sei, wir könnten nur nach den Bedingungen

unserer Zeit leben. Unter diesen Bedingungen denen auch die Kirche Rechnung zu tragen habe, nannte er das gesteigerte Tempo im Wechsel der Zeiterscheinungen, die Notwendigkeit kritischen Verstandes bei gleichzeitiger Verwurzelung durch emotionale Bindung, den universalen Horizont christlichen Lebens, die prophetischen Gaben von Kunst und Kultur, eine neue Sicht der Beziehungen zwischen den Geschlechtern und Kritikfähigkeit gegenüber Methodendiskussionen und Bürokratieausweitung auch innerhalb der Kirche.

Erfahrungen mit gelebter Spiritualität am Arbeitsplatz einer Blumenbinderin, eines Atomphysikers, eines Politikers und eines Ehe- und Elternpaares vertieften den Spannungshorizont von möglichen Formen der Lebensgestaltung nach dem „Programm Christi“.

Was sind nun die wichtigsten Aspekte einer Theologie christlicher Spiritualität? Dieser Frage versuchte der ehemalige Professor für systematische Theologie in Regensburg und jetzige Abt der Benediktinerabtei Schweikl- berg (BRD) Christian Schütz nachzugehen und zeigte als die Kennzeichen christlicher Spiritualität auf:

• der Glaube des Christen müsse durch die Welt inspiriert sein;

• der Glaube müsse diakonisch, also unter Macht- und Erfolgverzicht schöpferisch liebend sein;

• es müsse ein betender Glaube sein, eine implizite Gottesbeziehung sei zu wenig;

• inderDiasporasituationseines Glaubens müsse der Christ „alternativ“ — gegen den Strom — leben lernen.

In den heute existierenden Strukturen nach dem von Christus gesetzten Maß zu leben, sei — so Schütz — vom Christen gefordert.

„Grundlagen der Spiritualität nach dem Zeugnis der biblischen Schriften“ legte der Passauer Bi- bliker Otto B. Knoch dar. In den Gleichnissen offenbare Jesus Gott grundlegend und ermutige den Menschen zum unbedingten Vertrauen, Gottes Wollen werde zum Vorbild Jesu und damit zum Vorbild für unser Wollen. Durch den geoffenbarten Gott verändere sich das Leben des Menschen radikal — am Apostel Paulus werde dies besonders deutlich. Das Leben des Christen werde so zur Antwort des Christen auf die Liebe Gottes.

Sowohl vom Referat des Systematikers wie auch des Biblikers wären — trotz aller sicher unumgänglichen Zeitbeschränkung — im Anschluß an die wissenschaftliche Darlegung mehr Konkretisierung, stärkerer Bezug zu den Pastoralen und persönlichen Situationen des Alltags erwünscht gewesen.

Diesen konkreten Lebensbezug brachte die Benediktinerin Corona Bamberg aus Beverungen (BRD) bei ihrem Referat „Meditation für Christen“ wenigstens zum Teil ein. Die Ausgangssituation heutiger Bemühungen um Meditation sah die Referentin in einem durch die sehr komplexen Lebensverhältnisse der Menschen bedingtem Bedürfnis nach Einheit, Tiefe, Sammlung, in der Suche der Menschen nach einem Mittel im Kampf um die bedrohte Humanität und den Sinnverlust.

Schon das frühchristliche Mönchstum kannte das sich versenkende Rezitieren der Psalmen, differenzierte Praktiken verschiedener Orden, der deutschen oder der spanischen Mystik, des Pietismus, aber auch von Einzelpersönlichkeiten wie der Kleinen Theresia oder des Charles de Fau- could weisen sehr verschiedene Wege. Allen gemeinsam wäre, so Bamberg, das Festhalten an der

persönlichen Reflexion und der individuellen Erfahrung in Verbindung mit der Schriftlesung. Ihrer aller Ziel sei, sich von Gott ergreifen zu lassen, aus sich selbst aufzubrechen und von Gott verwandelt zu werden, zu einem, den er gebrauchen kann, dagegen sei die Wahl der Methode relativ, es müsse nur Raum für das Unberechenbare offen bleiben.

Heute geübte Praktiken der Psychotherapie, der Selbstfindung duruch Joga oder Suggestion könnten einer christlichen Meditation höchstens als Vorfelder dienen. Weder einseitige Verinnerlichung noch eine Rationalität, die Gott nicht Raum läßt, seien der richtige Weg, sondern nur die durch Jesus und sein Wort vermittelte Erfahrung.

Referate über „Das Beten des Christen“ und „Christliche Spiritualität als pastorale Aufgabe“ sowie eine Vielzahl von Arbeitsgruppen über spezifische Spiritualitätsausformungen verschiedener Berufsgruppen und Lebensformen rundeten das Tagungsprogramm ab.

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