Ende Dezember verbringe ich immer einige Tage in Budapest - auch dieses Jahr. Ein Viktor Orbán und seine Leute können mir das nicht vermiesen. Dieses Mal denke ich mit Freude und Melancholie daran zurück, dass mich vor zehn Jahren im Wagen vom Flughafen ins Budapester Zentrum die FURCHE-Redaktion am Mobiltelefon erreichte mit der Frage, ob ich denn für sie eine Kolumne schreiben wollte. Ich wusste nicht recht, warum gerade ich da erwählt worden war, und hatte keine Ahnung, was mich da erwarten würde. Jedenfalls fand ich die Idee reizvoll und sagte zu. Seit Jänner 2006 habe ich nun jeden Monat einen Platz in dieser Zeitung mit meinen Gedanken füllen dürfen, solange diese 1800 Zeichen nicht überschritten. Es war eine Erfahrung ungeahnter Freiheit. Es hat mich Disziplin gelehrt, hin und wieder auch Improvisation. Vor allem kann ich jetzt Dinge kurz und prägnant formulieren, die ich früher weitschweifig ausgedrückt hätte. Für einen Universitätsprofessor eine harte, eine gute Schule. Auf jeden Fall aber fühle ich große Dankbarkeit, dass mir Piefke 120 Kolumnen lang eine kontinuierliche Leserschaft beschieden war. Ich habe viel Schönes lernen dürfen durch die Beobachtung Österreichs, das im Großen und Ganzen mehr als gut zu mir gewesen ist. Manchmal habe ich mich auch aufgeregt, etwa als Claudia Schmied 2012 das Israelitengesetz revidierte und internationalen Protesten zum Trotz ein nichtorthodoxe Strömungen ausgrenzendes Vehikel Gesetz wurde: eine österreichische Lösung eben. Oft dachte ich ja, meine Zeilen lese eh niemand. Aber dann kamen aufmunternde Rückmeldungen, die mich anspornten. Noch mehr hat es mich gefreut, wenn sich einige über etwas von mir furchtbar geärgert haben. Denen mache ich heute eine Freude. Denn ich sage Ihnen mit dieser Kolumne leise "Servus" und mache Platz für jemand anderen, der Sie hoffentlich anregt, fesselt, manchmal gar karniefelt.
Der Autor ist Rabbiner und Direktor der School of Jewish Theology an der Universität Potsdam
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