Paradies für NS-Verbrecher?

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Radovan Karadžic ist enttarnt worden - trotz eines mächtigen Barts. In diesen Tagen kann sich der Chefankläger des Kriegsverbrechertribunals Serge Brammertz darauf einrichten, dass Belgrad Karadžic nach Den Haag ausliefern wird. Serbiens Zeitungen sind voller Vermutungen, wie er so lange hatte untertauchen können.

Vielleicht wäre Österreich ein besseres Versteck gewesen. Dort konnte ein von Interpol gesuchter Menschenschinder wie Milivoj Ašner in aller Seelenruhe über die Fanmeile von Klagenfurt spazieren, um gemeinsam mit kroatischen Fans die Euro 2008 zu genießen. Ašner war Polizeichef des kroatischen Ustascha-Regimes. Gesucht wird "Dr. Tod" bis heute, weil er für die Deportation Tausender in Hitlers KZs verantwortlich war. Als Georg Aschner lebt der 95-Jährige jedoch unbehelligt in Kärnten.

In Klagenfurt benötigte Ašner nicht einmal einen Bart. Ein Reporter der britischen Sun erkannte ihn auf Anhieb und machte sogar ein 45-Minuten-Interview mit ihm. Kaum denkbar, dass man in einem solchen Gespräch geistige Gebrechlichkeit verbergen könnte. Ašner konnte sich in Sicherheit wiegen. Nach österreichischer Rechtsauffassung ist er demenzkrank und deshalb nicht auslieferungsfähig. Spätestens seit 2006 ist klar: Ašner hat nicht einmal die österreichische Staatsbürgerschaft. Nach Kroatien wurde er trotzdem nicht überstellt. Jetzt wird ausgerechnet Serbien erneut die Auslieferung beantragen. Man darf gespannt sein, wie sich dieser Justizskandal weiterentwickelt.

Am 26. Juni traf Efraim Zuroff, Chef des Simon-Wiesenthal-Zentrums Tel Aviv, erst einmal Justizministerin Maria Berger. Bis heute steht Ašner auf Platz 4 der Liste der meistgesuchten Nazischergen. Nicht in Österreich. Bergers Pressesprecher lässt erst einmal verlauten: "Uns sind die Hände gebunden." Vielleicht hat Zuroff Recht: Österreich ist ein Paradies für Naziverbrecher.

Der Autor ist Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam.

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