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Als wir Anfang September das jüdische Neujahr feierten, war das kein Fest ausgelassener Freude. Rosch Haschana ist eine Zeit der Einkehr. Wenn Juden sich in den zehn Bußtagen zwischen Neujahr und dem Versöhnungstag Jom Kippur treffen, grüßen sie sich mit den Worten: "Zu einem guten Jahr mögest du eingeschrieben und besiegelt werden.“ Diese Grußformel geht auf ein Gebet zurück: "Gedenke unser zum Leben, König, der Du am Leben Wohlgefallen hast; und schreibe uns ein in das Buch des Lebens.“

Diesen Freitagabend beginnt nun wieder Jom Kippur, der bis zum Sonnenuntergang des darauffolgenden Tags dauert. Weil Juden den Großteil des Tages in der Synagoge verbringen, ist die Bezeichnung Schabbat Schabbaton, Tag heiligster Ruhe, sehr angemessen. Ziel ist die Versöhnung mit Gott und mit den Mitmenschen. Damit bieten Jom Kippur und die zehn Bußtage eine gute Gelegenheit, sich bei all denen zu entschuldigen, die man absichtlich oder versehentlich beleidigt hat. Unser Leben und unsere Zukunft haben mit der großen Chance der Umkehr zu tun. Die Möglichkeit der Umkehr unterstreicht, dass der Mensch an sich arbeiten kann. Mit der christlichen Vorstellung des Jüngsten Gerichts hat das wenig zu tun. Es geht um die Versöhnung mit Gott, hier und jetzt, zu der wir nur dann imstande sind, wenn wir uns vorher mit den Menschen um uns herum ausgesöhnt haben. Dabei suchen wir die Verantwortung für menschliches Versagen nicht bei anderen, sondern zuerst bei uns selbst: wegen unserer Schuld. Jom Kippur mahnt uns so an die ethischen Werte des Judentums: Wir sollen und wir wollen unsere Schuld erkennen und wiedergutmachen. "Sehnsucht und Gebot werden eins“, meinte Rabbbiner Leo Baeck dazu . Für uns kann dies heute auch ein Vorbild für mehr sozialen Frieden sein.

Der Autor ist Rabbiner und Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs an der Universität Potsdam

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