Sozialismus und Judentum

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Der Hamburger Bundesparteitag der Sozialdemokraten Deutschlands brachte einige unerwartete Themen in die allgemeine Diskussion: Das Nein zur Bahnprivatisierung, die Forderung nach einheitlichen Mindestlöhnen und nach Tempo 130 auf Autobahnen sowie der Rückbezug auf den "demokratischen Sozialismus" waren besonders spektakulär.

Weitgehend unkommentiert blieb die Rückbindung der Sozialdemokratischen Partei an ihre jüdischen Wurzeln im brandneuen Parteiprogramm. Damit stellt sich die Sozialdemokratie Deutschlands in die Nachfolge der biblischen Propheten und ihrer sozialen Botschaft und beruft sich auf Vordenker wie Ferdinand Lasalle, Moses Hess, Rosa Luxemburg, Kurt Eisner, Eduard Bernstein, ja Karl Marx.

Josef Cap hat für Österreich die gleiche Einsicht formuliert. Das "Rote Wien" war eng mit sozialdemokratischen Persönlichkeiten verbunden, die ihre Wurzeln im Judentum hatten - bis hin zu Bruno Kreisky.

Die Protagonisten des deutschen Antrags, Hans Erler und Kerstin Griese, lassen dabei den Einwand nicht gelten, diese jüdischen Vorväter und-mütter seien "assimiliert" gewesen und hätten somit ihr Judentum mehr oder weniger abgelegt. Das Bekenntnis zur Partei und die Verbundenheit mit der Arbeiterklasse hätten sich ja klar gegen die bürgerliche Gesellschaft gerichtet und damit geradezu anti-assimilatorisch gewirkt. Diese Argumentation hebt die politische Dimension des ethischen Monotheismus aus den Quellen des Judentums deutlich hervor. Und dem noch jungen Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten stellt sich nun die interessante Frage nach der eigenen Identität und politischen Zielrichtung. Denn momentan scheint die Frage, was "sozialdemokratisch" ist, mindestens ebenso umstritten zu sein wie die Frage, was eigentlich "jüdisch" ist.

Der Autor ist Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam.

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