Ein jüdischer Weg zu Gottes Liebe

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Thema: Gott Lieben

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Im Jahr 1998 veröffentlichte der britische Rabbiner Lionel Blue ein sehr persönliches Buch. In "My Affair with Christianity" bekennt er im Herbst seines Lebens offen, dass ihn organisierte jüdische Religion oft langweile, ja geistig ausdörre. Er beschreibt, wie nahe er als schwuler Student in Oxford einmal dem Wechsel ins Christentum gewesen war. In Jesus habe er eine überbordende Liebe erspürt, die einen umfange und angesichts der er nur schwer die Beherrschung wieder gewonnen habe. Dagegen empfand er sein Judentum als arrangierte Ehe, für die er sich nicht entscheiden konnte, sondern in die er hineingeboren war.

So beschreibt eine der großen Gestalten des europäischen Judentums uns als Liebende auf der Suche nach Gott. Viele stehen geistlich im Stand der Ehe. Und doch haben wir Liebesgeschichten und Affären, geistliche Begegnungen als Teil unserer Biografie, die sich außerhalb dieser Ehe abspielen. Manchmal trennen wir uns dann und gehen neue Bindungen ein. Oder wir bleiben dem Eheversprechen treu, wissen aber nur zu gut, wie das Andere geschmeckt hat.

Der Jude Lionel Blue erkannte schließlich, dass Jesus von Nazareth für ihn nicht den Weg zu Gottes Liebe bot. Blues erste innere Erfahrung führte ihn nur an die Schwelle der Konversion. Zu trennend war für ihn letztlich die Zäsur der Schoa, die ihn zurückwarf an die Quellen seiner ererbten Religion. Das Judentum hatte sich für ihn dadurch auch grundlegend verändert. Aus einem geistigen Gefängnis der Pflicht war ein Raum spiritueller Freiheit geworden. Die Figur Jesu konnte Blue mit der Erfahrung persönlicher Zuwendung und Liebe für Gott und von Gott wohl betören. Und doch ging Blue den entscheidenden Schritt, in der eigenen Tradition zu erkennen, dass Gott sich uns in seiner Tora vollkommen zuwendet hinter dem Vorhang seiner Unverfügbarkeit.

* Der Autor, Rabbiner, leitet das Abraham-Geiger-Kolleg in Berlin

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