Wichtig ist, Flagge zu zeigen

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Sichtbarkeit von Religion

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Sichtbarkeit von Religion

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Religion muss sichtbar sein im öffentlichen Raum. Denn der säkulare Staat als Konzept bedeutet nicht die säkulare Gesellschaft. Und in der Gesellschaft ist es wichtig, Flagge zu zeigen und Anknüpfungspunkte zu bieten. An möglichst vielen Schnittstellen im Leben soll Religion dem Menschen sichtbar begegnen. Das fängt bei den wichtigen Zäsuren des eigenen Lebens an: der Feier von Geburt, dem Eintritt ins verantwortliche Erwachsensein, der religiösen Heirat, dem Abschied vom Leben. Diese Momente feiern wir meist öffentlich - und gerne in einem bewusst religiösen Kontext. Aber auch die sakralen Bauten gehören zu unserem Verständnis der Rolle von Religion dazu.

Noch im 19. Jahrhundert durften Synagogen nicht im Straßenbild auffallen. Zumeist wurden Sie im Hinterhof gebaut und hatten keine sichtbare Front zur Gasse. Monumentale freistehende Synagogen kennen wir eigentlich erst aus dem Zweiten deutschen Kaiserreich. Und am 9. November 1938 wurden diese Bauten brachial ausgemerzt. Judentum sollte nicht mehr sichtbarer Teil des Gemeinwesens sein. Die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum ist also ein Indiz für die Toleranz und Anerkennung in der Gesellschaft.

Deshalb war es von großer Bedeutung, dass am 4. November 2010 der deutsche Bundespräsident Christian Wulff die Berliner Synagoge Pestalozzistraße besucht hat. Er nahm an der Ordination der ersten Frau zur Rabbinerin in der Bundesrepublik Deutschland teil. Deren Vorgängerin Regina Jonas war 1935 noch klammheimlich ordiniert worden. Diesmal war es ein höchst sichtbares Fest. Relevanz und Sichtbarkeit sind untrennbar. Ich möchte, dass religiöse Bekenntnisse aller Bürger sichtbarer und wirksamer Teil des Staatswesens sind und einen relevanten Beitrag in unserer Gesellschaft leisten.

* Der Autor, Rabbiner, leitet das Abraham-Geiger-Kolleg in Berlin

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