Eine Freundschaft voll von Hemmungen

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Der Briefwechsel zwischen Max Frisch und Uwe Johnson läßt in eine Beziehung blicken, aus der die Fremdheit niemals wich.

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Der Briefwechsel zwischen Max Frisch und Uwe Johnson läßt in eine Beziehung blicken, aus der die Fremdheit niemals wich.

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Max Frisch und Uwe Johnson: Zwei Große der deutschsprachigen Literatur nach 1945. Nun hat Eberhard Falke, Leiter des Frankfurter Uwe Johnson-Archivs, ihren Briefwechsel veröffentlicht. Der Band enthält auch die vollständigen Aufzeichnungen der Lektoratsarbeit Uwe Johnsons für Max Frischs "Tagebuch (1966-1970)".

1962 lernten sich die ungleichen Männer in Rom kennen, die Freundschaft entwickelte sich erst später und gründete sich auf großes Vertrauen und Respekt nicht ohne eine gewisse Distanz. Der Band ist Dokument einer schwierigen Freundschaft. Der Leser wird in eine Beziehung voll Fragezeichen hineingezogen. Die Vertrautheit, mit der sie einander schrieben, öffnet den Blick auf zwei ausgefüllte Leben und hilft, ihre Zeit und die Umstände zu verstehen, unter denen sie arbeiteten.

Der Briefwechsel bietet Einblick in ihre Arbeitsweisen, ist Zeuge für die wechselseitige literarische Beeinflussung und die nicht immer konfliktfreie Beziehung. Er beginnt kühl und zurückhaltend und wird von einer gewissen Fremdheit durchzogen, die sich auch nach der Vertiefung der Freundschaft hartnäckig hält. 1971 war diese so weit gediehen, daß Uwe Johnson Frisch seine Dienste als Lektor anbot. Max Frisch schickte ihm darauf das Typoskript des zweiten Tagebuch-Bandes, das einen Umfang von über 600 Seiten hatte. Uwe Johnsons Anmerkungen waren außerordentlich ausführlich und entsprachen seiner akribischen Arbeitsweise. Dieses überzeugende Lektorat wurde zum Fundament eines tiefen Arbeits- und Vertrauensverhältnisses. Den Einfluß, den Johnson auf Max Frisch ausübte, erkennt man an den im zweiten Teil veröffentlichten Lektoratsmanuskripten.

Die Briefe beschränken sich nicht auf die Arbeit, sondern geben auch Einblick in private Probleme und behandeln aktuelle politische Ereignisse ebenso wie das Wirken des gemeinsamen Verlegers. So unterschiedlich wie die Briefe waren auch die Charaktere. Uwe Johnson verstand sich auf das Genre des Briefschreibens, er arbeitete oft tagelang an einem Brief, immer in der Überzeugung, daß alles, was er schrieb, für die Nachwelt von Bedeutung sei. Respekt seinem älteren Kollegen gegenüber war ihm wichtig, doch trotz des gegenseitigen Vertrauens konnte und wollte er private Probleme weder schriftlich noch mündlich erörtern. So kam es vor, daß die beiden bei einem Treffen zwei Tage lang kaum ein Wort miteinander wechselten. Max Frisch hingegen zieht das Ehepaar Johnson des öfteren, größtenteils mündlich, zu Rate.

Frischs Briefe sind offener. Die Probleme mit seiner Frau Marianne infolge der Veröffentlichung des autobiographischen Werks "Montauk", in dem er über seine Beziehung zu einer anderen Frau schreibt, kommen auch in den Briefen vor. Uwe Johnson hingegen schreibt dem Freund erst Wochen, nachdem seine Frau ihn mit der Tochter verlassen hat, und begnügt sich mit der Mitteilung der reinen Tatsache. Ähnlich zurückhaltend ist er in der Zeit, in der ihn eine Schreibblockade quält. Obwohl der Freund davon weiß, ist auch er nicht fähig, das Thema zu besprechen. Frisch enthält sich jeder indiskreten Äußerung und versucht ihn äußerst vorsichtig zur Arbeit zu bringen.

Der Briefwechsel endet mit der Bitte Johnsons, Frisch möge ihm für einige Monate sein New Yorker Loft vermieten. Max Frisch erklärte sich dazu bereit, doch konnte Uwe Johnson keinen Gebrauch von der Zusage mehr machen. Er wurde im März 1984 tot in seinem Haus in England gefunden.

Der Briefwechsel - Max Frisch / Uwe Johnson 1964 -1983. Herausgeber: Eberhard Falke. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 1999. 430 Seiten, geb., öS 409,-/e 29,72

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