Eine Mauer kollektiver Verdrängung

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"Wir haben sie erdrosselt, verbrannt, geköpft oder einfach mit dem Auto überfahren“, brüstet sich Anwar Congo, der Mitte der 1960er-Jahre als Anführer einer Todesbrigade für die systematische Ermordung hunderttausender indonesischer Regimegegner mitverantwortlich war. Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige. Es sind Szenen wie diese, die Joshua Oppenheimers preisgekrönter Dokumentarfilm "The Act of Killing“ zu einem eindrücklichen Kinoerlebnis machen: Der Filmemacher lässt für einen fiktiven Spielfilm am damaligen Genozid beteiligte Täter Gräueltaten nachstellen und konfrontiert sie während der Reinszenierung mit ihrer blutigen Vergangenheit. Bereitwillig und erschreckend offen sprechen die einstigen Schlächter über ihr mörderisches Treiben, erzählen stolz wo und wie viele "Kommunisten“ sie getötet haben und setzen sich wie ihre Leinwandvorbilder als Gangster-Killer in Szene. Doch je länger die Dreharbeiten dauern, desto reflektierter betrachten einige Protagonisten ihre "Heldentaten“ und beginnen sich langsam der Tragweite ihrer Verbrechen bewusst zu werden.

"Dass wir nie bestraft wurden, beweist doch, dass wir das Recht dazu hatten“, rechtfertigt sich einer der Massenmörder und spricht damit eine offene Wunde an, unter der die indonesische Gesellschaft bis heute leidet. Obwohl viele Mitglieder der damaligen Killerkommandos namentlich bekannt sind, mussten sie sich nie für ihre Taten verantworten - weder vor Gericht noch der Öffentlichkeit. Oppenheimer holt dieses Versäumnis nach und wirft mit seinem Kaleidoskop menschlicher Abgründe einen kathartischen Blick hinter die Mauer kollektiver Verdrängung. "Wir wollten nicht nur Licht in eines der dunkelsten Kapitel der menschlichen Geschichte bringen, sondern auch den wahren Preis von Blindheit, Berechnung, Gier und Machthunger aufzeigen“, erläutert der Regisseur: "Dieser Film handelt letzten Endes nicht von Indonesien. Er handelt von uns allen.“ (Jürgen Belko)

The Act of Killing

DK/N/GB/FIN 2012. Regie: Joshua Oppenheimer. Mit Anwar Congo, Herman Koto, Syamsul Arifin.

Alphaville. 122/159 Min. Ab 21.2. im Kino

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