Eine selbstbewusste junge Frau

19451960198020002020

"Am grünen Rand der Welt": Thomas Vinterberg verfilmt den viktorianischen Roman-Klassiker vorlagengetreu und vor allem: ohne Kapitalismuskritik, Emanzipation und Sex. Auch solchen Film darf es geben.

19451960198020002020

"Am grünen Rand der Welt": Thomas Vinterberg verfilmt den viktorianischen Roman-Klassiker vorlagengetreu und vor allem: ohne Kapitalismuskritik, Emanzipation und Sex. Auch solchen Film darf es geben.

Werbung
Werbung
Werbung

Ein skandinavischer Regisseur, in dessen Werk sich regelmäßig grauenhafte Abgründe auftun, und ein beschaulichromantischer Klassiker der englischen Literatur: Das klingt nach einer bizarren Kombination. Doch die Verfilmung des Romans "Am grünen Rand der Welt" des viktorianischen Romanciers Thomas Hardy aus dem Jahr 1874 durch Thomas Vinterberg ("Das Fest", "Die Jagd") ist als gelungen zu bezeichnen. Denn obwohl die Literaturverfilmung ihrer Vorlage treu bleibt, vermag sie auch Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts anzusprechen.

Inmitten einer männlichen Gesellschaft

Es geht um die Geschichte einer selbstbewussten, unabhängigen jungen Frau, die ihren Platz in einer männlich dominierten Gesellschaft behaupten muss und zugleich auf der Suche nach der Liebe ist -und das in der wunderschönen Landschaft Südenglands mit ihren saftigen Wiesen, die jäh an schroffen Meeresklippen enden. Diese Charakterisierung mag aufs Erste nach einer Rosamunde-Pilcher-artigen Verfilmung für Anspruchsvolle klingen. Und sie ist auch zutreffend. Doch sobald man sich vor Augen führt, was dieser Film nicht ist, treten seine Qualitäten deutlich zutage.

Zunächst einmal ist "Am grünen Rand der Welt" keiner dieser Liebesfilme, in denen endlos über die Themen Beziehung oder Sex gequasselt wird. Die gesellschaftlichen Konventionen des viktorianischen Zeitalters verbieten es, solche Dinge anzusprechen, daher brennen die Gefühle der Protagonisten im Verborgenen. Aber natürlich sind es dieselben Gefühle, die auch heute die Menschen bewegen. Bathsheba Everdene, von Carey Mulligan stark und zugleich zerbrechlich verkörpert, trifft bei ihrer Suche nach einem Ehemann natürlich die falsche Wahl: Statt für einen anständigen, ehrlichen und sanftmütigen Mann -zur Auswahl stünden der arme Schäfer Gabriel Oak (Matthias Schoenaerts) oder der reiche Gutsbesitzer William Boldwood (Michael Sheen) - entscheidet sie sich für den verführerischen Macho. Doch der schneidige Unteroffizier (Tom Sturridge) entpuppt sich als verantwortungsloser Hallodri.

"Am grünen Rand der Welt" ist auch keine dieser kämpferischen Emanzipationsgeschichten, in denen starke Frauen die böse Männerwelt auf den Kopf stellen. Die zu Beginn mittellose Bathsheba, die durch eine Erbschaft zur Gutsherrin aufsteigt, stößt natürlich zuerst auf Ablehnung bei Bediensteten wie den benachbarten Gutsherren.

Kein "emanzipatorischer" Film

Doch sie verschafft sich schnell Respekt, indem sie mit großer Selbstverständlichkeit auftritt, kluge Entscheidungen trifft und auch selbst in der Landwirtschaft kräftig zupackt. Dass die vorgesehene Rolle für Frauen eine andere ist, bleibt nicht unerwähnt: Die Feiern der alleinstehenden Bathsheba mit ihrem Gesinde sind eine Freude für alle Teilnehmer. Doch schon bei ihrem Hochzeitsfest ändert sich dies, als ihr Bräutigam und die anderen Männer derbe Gesänge anstimmen, woraufhin sich die Frauen, inklusive der Braut, schweigend zurückziehen.

Zu guter Letzt ist "Am grünen Rand der Welt" auch keine Abhandlung über den Kapitalismus. Im ganzen Film gibt es keinen Hinweis auf Industrialisierung und Arbeiternöte, die England zu jener Zeit beherrschten. Das ist gut so. Nichts gegen Kapitalismuskritik, Sex und Emanzipation -doch es darf auch Filme geben, die ohne diese auskommen.

Am grünen Rand der Welt (Far from the Madding Cloud) USA 2015. Regie: Thomas Vinterberg. Mit Carey Mulligan, Matthias Schoenaerts. abc-film. 119 Min.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung