Fehler oder Sprachwandel

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An dieser Stelle war schon mehrmals von Grenzfällen der Norm und seltsamen Neubildungen die Rede. Der Autor hat dabei eher den verständnisvollen Wegweiser als den gestrengen Sprachpolizisten gespielt.

Denn in der Tat: der Fehler von heute, tritt er nur häufig genug auf und ist psychologisch begründet, wird nicht selten zur erfolgreichen Neuerung von morgen. In mundartlicher Rede, aber selbst schon in gehobener Umgangssprache hat das Verbum lernen (mit dem Dativ) das eigentlich für den Vorgang einer Unterweisung korrekte lehren (mit dem Akkusativ) verdrängt. "Ich habe ihm Schwimmen gelernt", "Mein Freund lernt mir Spanisch" usw. sind im sprachlichen Alltag so üblich geworden, dass sie kaum noch auffallen. Lehren und lernen sind nämlich untrennbar miteinander verbunden. Derselbe Prozess, nämlich die Vermittlung von Wissen oder Fähigkeiten, wird bloß jeweils von verschiedenen Seiten betrachtet. Der Fachjargon der Linguistik spricht bei solchen Wortpaaren von "konversen Verben". Während in unserem Ausgangsbeispiel lernen zunehmend die Stelle von lehren besetzt, ist der ursprüngliche Gegensatz von leihen und borgen gänzlich aufgehoben. Der alte Kontrast vom Geber (leihen) und Empfänger (borgen) gilt nicht mehr. Hier die Probe aufs Exempel: selbst ausgeprägtes Sprachgefühl dürfte sich gegen (sprachhistorisch "falsche") Sätze wie "Ich borge dir Geld" oder "Er leiht sich ein Buch" nicht wirklich wehren.

Übrigens haut auch unser deutsches Verbum nehmen seinen nächsten etymologischen Verwandten in griechisch nemo, das bei unserem prototypischen Rollenspiel genau die Gegenseite bezeichnet. Es bedeutet nämlich "zuteilen, gewähren"!

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