Feinsinniges Wortschwalltheater

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Ein Dichterkind spielt Sonne, Mond und Planeten. Lässt fünf Alte kreisen. Stupst sie zärtlich an und schickt sie auf die Umlaufbahn um eine gebeugte Sonne, die mit zittrigen Händen ihre Augen bedeckt. Erschaffen ist der Bühnenkosmos, auf dem sich zweieinhalb Stunden lang das gewaltige Sprachuniversum eines Clemens Setz drehen wird.

Der 1982 in Graz geborene Setz gehört seit Jahren zu den laut Bejubelten des Literaturbetriebs. Er hat Germanistik und Mathematik studiert, und an seinen Büchern werden all jene Freude haben, die Lust verspüren in höhere Sprachdimensionen vorzustoßen. Seinen rund 700 Seiten mächtigen Roman "Frequenzen", der 2009 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand, stemmte nun erstmals das Grazer Schauspielhaus unter der Regie von Alexander Eisenach auf die Bühne. Der Roman, der in unzählige Episoden ausufert, besitzt keinen linearen Verlauf. Raum und Zeit überlappen sich, während Setz durch (s)ein Mikroskop auf eine ganz gewöhnliche Familienhölle glotzt, die sich unter seiner Vergrößerung in einen absurden Frequenzbereich auswächst.

Geniale Bühnengalaxie

Beinahe selbstmörderisch erscheint der Versuch, dieses surreale Wortwerk auf eine vernünftige Länge mit Erzählqualität zu bringen. Doch Eisenach hat eine beachtlich geniale Bühnengalaxie aus dem Setz'schen Sprachkosmos gelöst. Streckenweise ist es sogar zum Fliegen, so innig dreht Eisenach diese Theatermaschine auf ihrer Flugbahn, die von Daniel Wollenzin feinsinnig raffiniert gestaltet wurde. Daneben liefern exzellente Videoeinspielungen und großformatige Projektionen von Carmen Zimmermann und Roland Horvath eine haptische Vorstellung von der riesenhaften Größe dieses Sprachalls. Aus dem schöpfte Eisenach nun zwei Vater-Sohn-Konflikte rund um den Protagonisten Alexander Kerfuchs (Clemens Riegler) und seinen Jugendfreund Walter (Jan Brunhoeber). Während der eine von seinem Vater (Franz Xaver Zach) im Urlaub wortlos verlassen wurde, wurde der andere von seinem dominanten Architektenvater zu einem schauspielenden Hanswurst degradiert. Beide lassen sich auf der Couch der Psychologin Valerie (Evamaria Salcher) nieder. Ihren Lebensriss im Blick habend, versuchen sie die Bilder für den letzten Augenblick zu retten. Jene Bilder, die man sich in Taschen steckt. Da blinken wunderbare Sprachbilder auf! Auch das gesamte Ensemble, das sich kongenial durch diesen Abend schraubt, glänzt gewaltig. Ein Theater, das immerhin von nichts geringerem als der universalen Wirkmächtigkeit des Lebens erzählt. Dem Physiker Werner Heisenberg wird das Bonmot zugeschrieben: "Wenn ein Kind seine Puppe aus der Wiege wirft, dann wackelt der Sirius!" Dieser Theaterabend ist der Beweis.

Frequenzen

Schauspielhaus Graz, 30. März

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