Fotografierte Zeitläufte

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Das Bild kam mit der Fotografie nachhaltig ins Nachrichtenwesen. Diese mediale "Bebilderung" beherrschte die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, bis sie dann vom Fernsehen als Bild-Leitmedium abgelöst wurde. Der Wiener Fotohistoriker Anton Holzer hat dem Fotojournalismus in Österreich einen Bildband gewidmet. Ein halbes Tausend Seiten mit ebenso vielen Fotografien umfasst "Rasende Reporter. Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus". Von 1890 bis 1945 reicht der Bogen, den Holzer spannt: Revolutionär, wie das Foto die bisherigen Illustrationen in der Presse ersetzte und der Siegeszug des tausend-und millionenfach verbreiteten Bildes begann. Ein Panoptikum aus Zeithistorie und Geschichtsmächtigkeit ist dem Fotohistoriker gelungen. Der Mord von Sarajewo am 28. Juni 1914 (oben: Festnahme eines falschen Attentäters) gehört ebenso dazu wie die Ästhetik, welche nach dem "Anschluss" die NS-Herren aufzwangen. Dass es 1938 und vor allem 1939 in Österreich zu einem Zeitungssterben kam, ist dabei ebenso auffällig wie die antisemitischen Ausbünde der Bildberichterstattung, die hier gleichfalls dokumentiert sind. Daneben gelingt es Holzer auch, die Entwicklung der Fotografie anhand der Presse darzustellen, das künstlerische oder feuilletonistische Bild erfährt ebenfalls gebührende Würdigung. Und dass der technische Fortschritt wie das kulturelle und gesellschaftliche Leben dokumentiert werden, versteht sich eigentlich von selbst. Fotoreportagen auch von sozialen Brennpunkten gehören ebenso dazu wie bebilderter Klatsch. Holzer lässt seine Geschichte des Fotojournalismus mit dem Untergang des 3. Reiches enden, die Bilder der Zerstörung und des Kriegs ab 1939 bleiben ausgespart. Am Buchende konstatiert Holzer, welche Zäsur das Jahr 1938 auch für Fotoreporter - nicht zuletzt durchs Verschwinden der jüdischen Berufskollegen - war: Die österreichische Pressefotografie nach 1945 sei ohne "genaue Kenntnis der Vorgeschichte von Nationalsozialismus und Krieg nicht verständlich". Man wartet daher gespannt auf den nächsten Geschichtsband dieses Foto-Chronisten.

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