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Der Wohnungsnachbar sagt es schon am Morgen, und der Briefträger schließt sich an. Die Kassierin im Supermarkt tut ein gleiches. Gute Freunde sprechen die Botschaft in den Anrufbeantworter: "Guten Rutsch!" oder "Rutschen Sie gut!" Gibt es denn so viel Glatteis in der Silvesternacht? Oder will man der Gefahr des Ausgleitens sprachlich ähnlich begegnen wie mit dem so gefährlich klingenden "Hals- und Beinbruch"? Oder bedeutet rutschen einfach nur den plötzlichen, aber unmerklichen Übergang von einer Jahreszahl in die andere, den uns Uhren und Kirchenglocken verkünden?

Deutungsversuche dieser Art gehören in das weite Land der Volksetymologie, die seltsamen Ausdrücken einen plausiblen Sinn verleiht und Findlinge des Wortschatzes nachträglich motiviert. Hinter dem banalen Rutsch steckt wohl das hebräische Vokabel rosch, das "Kopf", aber auch "Anfang" bedeutet. Vermittelt wurde das später umgedeutete Vokabel wohl über das Rotwelsch oder die Sprache jüdischer Rituale.

Der Jahreswechsel war ja seit je her ein sensibles, gefährdetes Datum. Der Volksglaube reagiert darauf bis heute mit schützenden Bräuchen und symbolischen Glücksbringern - von der Münze bis zum Hufeisen. Und auch das Bleigießen in dieser Rau(c)hnacht' schwankt zwischen harmlosem Zeitvertreib und einem magischen Rest.

Der erste Monat des Jahres, der Jänner oder Januar, geht auf den römischen Gott Janus zurück, in dessen Namensform wohl ianua, der "Durchgang" bzw. "Torbogen" steckt. So soll uns der wechselseitige Neujahrswunsch verbal die Schwellenangst' nehmen. Die dafür verwendete Formel aber erweist sich einmal mehr als schillerndes Gebilde, das im Schmelztiegel der Kulturgeschichte aus verschiedenen Zutaten und Verfahren entstanden ist. So gesehen, kann man den "guten Rutsch" auch beim Wort nehmen - oder besser: am Schopf packen.

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