Haifisch ohne Zähne

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Gestraffte "Dreigroschenoper" am Tiroler Landestheater.

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Gestraffte "Dreigroschenoper" am Tiroler Landestheater.

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Die Schandtaten des cleveren Haies, Mackie Messer (Norbert Aberle), samt Supergang, die monokapitalistischen Schliche des Bettlerkönigs (Walter Ludwig), die prachtvolle Schamlosigkeit der ehren- und unehrenhaften Haifischerinnen und des korrupten Gesetzeshüters (Ansgar Schäfer) können heute, 70 Jahre nach dem Riesenerfolg der provokanten "Dreigroschenoper", niemanden mehr vom Theaterhocker reißen. Es sei denn, man kürze Bertolt Brechts (geboren 1898) "Episches Endlostheater" und picke die bedeutsamsten Aspekte heraus: Armut, Hunger, Lebens- und Überlebensgier um jeden - noch so gemeinen - Preis ("Der Mensch ist arm, die Welt ist schlecht!").

Regisseur Dietrich W. Hübsch hat die Moritat denn auch gestrafft, dabei aber Wesentliches aus den Augen verloren. Entstanden ist ein zähflüssiges Räuber-und-Gendarm-Spektakel um einen Zuhälter und Gentleman-Gauner ohne entsprechend kritischen Blick auf soziale Mißstände, bündige Zusammenhänge und schlüssige Aussagen. Ausgezeichnete Schauspieler betreiben hinreißende Actionübungen bis zum bösen Happy-End; wobei die Damen Eleonore Bürcher, Franziska Mencz, Sabine Podlaha, Katharina Lodron so heiß in den Ring steigen, daß ihnen zurecht der Löwenanteil des Beifalls zufällt. Nach der Pause kommen etwas mehr Leichtigkeit und Selbstverständnis auf - der Funke könnte zünden! Das erstklassige Orchester - a la Brecht über der Bühne ins Spiel integriert - gibt den pfiffigen Ohrwürmern von Kurt Weill jede Chance. Aber nein - zu viele Opfer wurden der Schaulust bereits gebracht!

So bleibt dieser Brecht - hier angeblich nach 1945 angesiedelt, was eine leicht angeknabberte Kulisse und die Damenbekleidung erraten lassen - ein leider recht unverbindliches Amüsierereignis: In Einzelheiten spritzig, aber ohne konstruktives Ineinandergreifen der "Verhältnisse", die leider "nicht so sind", wie sie hätten sein können, wenn diesem Haifisch mehr Zähne verblieben wären.

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