Identität eines weißen Flecks

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Fast wie ein Heiliger wird in Balutschistan der sagenhafte Morid verehrt, endet seine Legende doch damit, dass er mit einer Kamelstute aufbricht und spurlos verschwindet, unsterblich bis ans Ende aller Tage durch seinen Liebesrausch. Mit Hani jedoch, seiner Angebeteten, wird er nie vereint sein. Um das Mädchen, das ihm versprochen war, betrog man ihn einst. Dann aber, als sie nach vielen Jahren und Qualen seine Frau werden konnte, war es zu spät.

Diese "Liebenden von Balutschistan" nehmen Houchang und Tom-Dariusch Allahyari im gleichnamigen Reiseessay zum Anlass, einen weißen Fleck auf der Landkarte zu erkunden, der größer ist als Frankreich - zumindest sich in jenem Teil umzusehen, der zum heutigen Iran gehört. Im Norden ginge das Gebiet in Afghanistan weiter, im Osten tief hinein nach Pakistan. Von dort stammen auch die Waren, die Vater und Sohn auf dem Markt sehen. "Wir haben nichts", heißt es lapidar zum Mangel, heißt der Grund für den in der Region allgegenwärtigen Schmuggel, für die Kinder, die am Straßenrand Treibstoff verkaufen. Balutschistan ist ein Grenzbereich, der als gefährlich verschrien ist, der den meisten Iranern genauso fremd sein mag wie den beiden österreichischen Filmemachern.

Begeisterung für das Unbekannte

Den vertrauteren Teil der Reise, die Houchang Allahyari ("Die verrückte Welt der Ute Bock") erstmals seit fast 50 Jahren in die alte Heimat brachte, und seinen Sohn überhaupt zum ersten Mal dorthin, verarbeiteten sie vor kurzem zu "Rote Rüben in Teheran".

Waren familiäre Bande und das Abrufen von Erinnerungen darin von größerer Bedeutung, feiert dieses filmische Tagebuch nun die Begeisterung für das Unbekannte, für Neugierde. Man schaut, wohin man vordringen, mit wem man ins Gespräch kommen kann, ob es sich irgendwie bewerkstelligen lässt, Luftaufnahmen vom Persischen Golf zu machen. Filmt auf eigene Faust zwischen Off-Kommentaren und Begegnungen das Filmen selbst, verliert sich, um den Faden bei Gelegenheit wieder aufzugreifen. Entdeckt zufällig ein reales Paar, deren Liebe Frieden zwischen zwei Dörfern stiftet - ein "Romeo und Julia" mit gutem Ausgang.

Und stellt fest, dass in der Bibliothek eines kleinen, entlegenen Kulturzentrums zwar Shakespeares Stück herumsteht, nicht aber die Geschichte von Hani und Morid -Überlieferung findet hier noch immer mündlich statt. Mit Puzzlestücken wie diesen formen Houchang und Tom-Dariusch Allahyari in "Die Liebenden von Balutschistan" die Identität dieser übersehenen Region.

Wissenschaftlich wollen sie dabei keinesfalls sein, sondern skizzenhaft. Und in den Eindrücken und Anekdoten, die sie zusammentragen, auf poetisch-unmittelbare Weise verlässlich.

Die Liebenden von Balutschistan A 2017. Regie: Houchang Allahyari, Tom-Dariusch Allahyari. Stadtkino. 90 Min.

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