"Jenseits des Meridians der Verzweiflung"

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"Kriegskindl" von Marianne Lietzow wurde beim Schäxpir-Festival in Linz uraufgeführt.

Dieses "Kriegskindl" ist eines von sechs Waisenkindern aus verschiedenen Ländern und Lagern, die der Kriegssturm 1945 in Wien angeweht hat. Ein Trümmerkeller gibt ihnen fürs erste Sicherheit. Fünf von ihnen lernen die Kunst des Überlebens zu perfektionieren. Das sechste hingegen, ein halb verhungertes Kleinkind, eine von Renate Schuler (Ausstattung) geschaffene Puppe, sollte keine Chance haben: Es wird von einem "unsichtbaren" Engel (Gerti Tröbinger) geführt, zart und unsentimental. Auch die anderen Kinder verweht wieder der Wind.

In seinem Erfolgsroman "Die Kinder von Wien" (engl. 1946, dt. 1974) erzählt der 1933 nach England emigrierte Wiener Schriftsteller Robert Neumann (1897- 1975) fiktive Episoden aus dem Leben von Kriegswaisen. Was hat sie nicht alles so früh erwachsen gemacht! Wien ist Neumanns "Fabelstadt", "aber sie könnte wo immer liegen jenseits des Meridians der Verzweiflung", schreibt er.

Susanne Lietzow hat diesen Roman wiederentdeckt, schlüssig dramatisiert und für alle ab 14 Jahren ergreifend inszeniert. Ort der Handlung dieser verdienstvollen u/hof-Produktion des Linzer Landestheaters ist der authentisch wirkende Cembran-Keller.

Schuler hat darin einen Trümmerkeller nachgebaut, in dem Hoffnung und Enttäuschung so nahe beieinander wohnen. Als "Kinder" überzeugen Daniela Dett, Nora Dirisamer sowie Matthias Hacker als zirkusreifer Taschendieb Jid (13!), der Charakter beweist. Ein schwarzer us-Geistlicher (Daniel Ruben Rüb) will sie retten, ein weißer (John F. Kutil, auch in anderen Rollen) weiß das zu vereiteln. Dass die jungen Schauspieler mit Neumanns Kunstsprache, die auf dem Jiddischen beruht, nicht gut zurechtkommen, darf nicht verwundern, denn wo hört man heute im täglichen Leben noch Jiddisch reden? Für stimmige Akkordeonmusik sorgt live Andrej Serkov. 2007 steht das Stück wieder auf dem Spielplan.

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