Kleist in Innsbruck: Hals über Perücke

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Komödie oder Tragödie, Schuld oder Unschuld, das ist die Frage, die Dorfrichter Adam um den "Zerbrochnen Krug" der Witwe Marthe klären soll. Gerade Adam, der selbst bei ihrer Tochter Evchen lüstern einstieg und besagtes Wertstück auf den Kahlschädel gedroschen bekam!

Die Blutspur trägt sein Glatzkopf noch zur Schau, seine Perücke hängt als corpus delicti am Fluchtspalier. Da ist guter Rechtsspruch teuer. Dem Kleistschen Milieu wunderbar entsprechend (Regie: Klaus Rohrmoser) siedet, braust und zischt die schwungvolle Handlung durch das minimalistische Bühnenambiente Karl-Heinz Stecks.

Eleonore Bürchers "krügerischer" Schmerz schäumt voll in Heinrich von Kleists dichter, geballter Sprache auf. Götz Burgers verbohrte rechtliche und rechthaberische Amtsschläue, Walter Sachers unausgesprochen-unaussprechlich beamtete Dreistigkeit, Günter Lieders verknöchertes Obrigkeitsverhalten - kurz, die vom gesamten Ensemble dargebotene, vom Zuschauer kaum zu bewältigende, kontrastreich gezeichnete Verwirrung um Recht und Unrecht ist einfach hinreißend und des "Feuerkopfes" Kleist durchaus würdig.

Mit Detailschärfe, Wortwitz und herrlicher Typendurchformung bis zur kleinsten Magd geht der Krug, beziehungsweise der Dorfrichter solang zum Brunnen ... bis er Hals über Perücke vor dem Rechte flieht. Der Applaus ist heftig, die Moral folgende: Gerechtigkeit ist damals wie heute brüchig wie ein Tonkrug, der via Gerichtsbarkeit dem Betrogenen wie auch dem Betrüger über den Schädel geknallt wird.

Die Zeiten haben sich seit 1808 kaum oder gar nicht geändert.

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