Krawatten und Ideologie

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Der frischgebackene Kabinettchef des frischgebackenen Bundespräsidenten weigert sich, im Dienst eine Krawatte zu tragen. Krawatten sind out wie noch nie - allein der Bundeskanzler hat sich in stürmischen Zeiten trendwidrig in die schütter werdende Phalanx der Krawattenträger eingereiht.

Es scheint, als wären mit jenen Alt-68ern, die nach dem Marsch durch die Institutionen nun ganz oben angelangt sind, ihre habituellen Marotten mitgewandert. Als demokratisch gilt heute überhaupt, was "volksnah" und "bescheiden" daherkommt. Der Chef des Kabinettchefs hatte ursprünglich angekündigt, bei seiner Angelobung nicht in einem würdigen Lehnsessel sitzen zu wollen, was er dann doch tat. Außerdem hatte er verlautbart, weder auf die Amtsvilla noch auf den Sommersitz in Mürzsteg zu reflektieren. Seine Konkurrentin hatte versprochen, die Prunkräume der Hofburg räumen und lukrativ vermieten zu wollen.

Wer so spricht, stellt die eigene Person in Wahrheit über das Amt. Es ist nicht die Privatsache des Amtsträgers, auf etwas (gleich für alle Nachfolger?) zu verzichten, das zu seiner Funktion gehört. Der Bundespräsident repräsentiert als Staatsoberhaupt nicht sich, sondern die Republik. Repräsentation bedeutet per se Feierlichkeit und Gepränge, auch in alten Demokratien wie Frankreich oder den USA. Ein Präsident, dem das Gefühl dafür fehlt, degradiert sich selbst zum Staatsnotar. Ein Land, dem das Feierliche peinlich ist, offenbart ein Selbstwertproblem.

Heinz Fischer, der seine Rolle so angenehm normal ausfüllt, sollte vielleicht nicht in jedes hingehaltene Mikrophon sprechen. Und Bruno Aigner muss sich nicht wichtiger nehmen als der einstige Turnschuhträger Joschka Fischer: Der hat als Außenminister den Maßdreiteiler mit Krawatte als "Arbeitskleidung" deklariert.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin in Wien.

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