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Als das heimische Normungsinstitut (heute urösterreichisch: "Austrian Standards“) jüngst neue "Richtlinien zur Textgestaltung“ zur Diskussion stellte, war die Empörung groß: zurück zum Gebrauch männlicher Formen für beide Geschlechter? Abschied vom Binnen-I? Das sei "extrem rückschrittlich“, befanden Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Studentinnen. Tatsächlich sind in den grundvernünftigen Vorschlägen nur gültige Rechtschreibregeln zusammengefasst. Etwa, dass ein Punkt nach "Dr.“ und "Mag.“ eine Abkürzung markiert und die Aussprache männlicher wie weiblicher Formen zulässt, jedoch nicht ein nachgestelltes "in“ oder "a“. Oder dass die Erfindung weiblicher Formen ("Gästin“) Normen verletzt und der Einsatz von Klammern und Schrägstrichen das Textverständnis extrem erschwert. Die Dudenredaktion hält die Nennung beider Geschlechter für "die höflichste und eindeutigste Variante der sprachlichen Gleichstellung“. "Eindeutigst“? Wie man bei Dudens halt so schreibt.

Verbindlich wären diese Normen natürlich nicht, es geht um die Symbolwirkung. Die hysterische Reaktion auf sachliche Argumente zeigt: Der Kampf um eine "geschlechtersensible Sprache“ ist längst zu einer politischen Beflissenheitsübung und Ersatzbefriedigung geworden. Statt um die Macht streitet man um Buchstaben. Und zäumt das Pferd von hinten auf. Ingeborg Bachmann wusste schon 1960: "Mit einer neuen Sprache wird der Wirklichkeit immer dort begegnet, wo ein moralischer, erkenntnishafter Ruck geschieht, und nicht, wo man versucht, die Sprache an sich neu zu machen, als könnte die Sprache selber die Erkenntnis eintreiben und die Erfahrung kundtun, die man nie gehabt hat.“ Es wäre an der Zeit, endlich zur Sache zu kommen: "Eine neue Sprache muß eine neue Gangart haben, und diese Gangart hat sie nur, wenn ein neuer Geist sie bewohnt.“

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin

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