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Fasziniert von Grausamkeit und Gewalt: Richard III. am Grazer Schauspielhaus.

Ich zerstöre gerne alles und schaue, was danach passiert", sagt Jan Klata, polnischer Jungregisseur, dem mittlerweile der Ruf eines enfant terrible vorauseilt. War er in seiner Heimat den Konservativen zu provokant und den Linken zu Gott-orientiert, erscheinen Klatas Theaterarbeiten für den abgebrüht westlichen Blick wie grobschlächtige Bubenstreiche, die nach Umsetzung drängen. So auch am Grazer Schauspielhaus, an dem er Shakespeares Richard III in den Sand setzte und zum nostalgischen Abend für Männer aufbauschte.

Hatte man die Figur des Richard bis dato als Inkarnation des Bösen schlechthin abgespeichert, bar jeder menschlichen Regung, die die Kraft hätte seine illusionslose Gier zu schwächen, trottet Klatas Version des grausamen Virtuosen als schießwütiger Django (Grazer Neoschauspieler Max Mayer) in einem Italowesternverschnitt und bei viel Ennio-Morricone-Musik auf und ab. Zwischen Galgen, hölzerner Plattform inklusive Mast, an dem die amerikanische Fahne prangt, und Grabkreuzen, die den Horizont einer ewig untergehenden Abendsonne säumen, herrscht das Faustrecht im Kampf um den Sheriffstern. Aus den irrlichternden Worthülsen, die zwischen den königlichen Cowboys (herausragend Franz Solar als Sargbauer alias Buckingham) hin und her schnellen, ist kaum Gewichtiges zu hören. Allein der wenig "Western-like" bekleideten Königin Margaret (Hertha Schell) obliegt es, sich an den rhetorischen Schwebezustand Shakespeares heranzutasten.

Starke Momente, die auch das weibliche Publikum mit der Inszenierung versöhnen, gibt es erst gegen Ende. Als der Vorhang fällt, die männlichen Langeweiler ausradiert sind und das Spiel trotzdem noch weitergeht: Max Mayers schauspielerisches Talent brennt sich ins Gedächtnis ein, wenn er dem vor sich selbst erschaudernden Richard eine Dimension verleiht, die an Abgründigkeit kaum zu übertreffen ist. Hier agiert Klata sehr nah am englischen Königsdrama und leitet nach knapp 100 Minuten Kugelhageltheater eine aktuelle politische Schubumkehr ein.

Wie in Luca Signorellis Auferstehung des Fleisches erheben sich Richards Opfer aus ihren Gräbern und bereiten dem Edelretter Richmond (Jan Thümer) den Weg. Der nimmt an Michelangelos Christusfigur aus dem Jüngsten Gericht Maß und erscheint als George-Bush-Kopie. Wind kommt auf, die Flagge weht und Schüsse fallen. Beendet ist die alte Tyrannei, eröffnet eine neue, mit originaler Shakespeare-Doktrin: "God say amen!" Der Showdown sitzt, auch wenn wir damit gerechnet haben.

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