Mechanismen der Knechtung

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In Frankreich gehört Colette zum Pantheon der Literatur. Sidonie-Gabrielle Colette (1873-1954), so ihr vollständiger Name, war die erste Autorin, die ein Staatsbegräbnis bekam (das kirchliche wurde ihr als Geschiedene verwehrt). Sie war 1948 für den Nobelpreis nominiert und lieferte mit "Gigi" die Vorlage für einen Hollywood-Klassiker. Einmal mehr bildet ihr eigenes Leben nun die Basis für ein nach ihr benanntes Drama. Anhand der prägenden Jahre ihrer ersten Ehe beleuchtet es, welche Stellung Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten, um die Film-Colette (Keira Knightley) dagegen ankämpfen zu lassen.

Als schlechte Partie, weil mitgiftlos, heiratet sie den bekannten Schriftsteller und Lebemann Willy (Dominic West). Der pflegt seine Laster weiter und motiviert, als das Geld knapp ist, seine Gattin, ihre Geschichten aus der Provinz niederzuschreiben. Sie werden veröffentlicht -unter seinem Namen. Denn: Bücher von Frauen

verkauften sich nicht. Während ihre "Claudine"-Romanreihe ungeahnte Popularität genießt, unterstützt sie ihr Mann, soweit es ihm nützt, um sie dann wieder wie eine Schreibsklavin einzusperren.

Für Knightley und ihre Kraftleistung läuft zwar gerade eine Oscar-Kampagne an, aber es ist West, der als Willy die beinahe noch spannendere, weil hochaktuelle Darbietung abliefert. Triebgesteuert, glitschig und verstrickt in Ausreden lässt er in seiner Rolle manch heutiges männliches Alphatier erkennen, das weder den Zeitenwandel wahrhaben will noch dass es gerade von seinen Verfehlungen eingeholt wird; das kleine Häufchen Elend dahinter entblößt er für kurze, schmerzvolle Augenblicke. Um ihn und Knighley herum wird die Pariser Belle Époque entfesselt: die Damenmode, die Typografie, die Wegbegleiter wie der berühmte Mime Georges Wague oder die Marquise Mathilde de Morny, die sich in Männerkleidung in der Gesellschaft bewegte und Colettes Lebensgefährtin wurde. In klugem Tempo entwickelt der Film die Mechanismen der Knechtung und des Erringens der Freiheit, um dazu seine Heldin beizusteuern. Niemand sollte sich also wundern, wenn in den nächsten Monaten eine kleine Colette-Renaissance stattfindet.

GB/USA 2018. Regie: Wash Westmoreland. Mit Keira Knightley, Dominic West. Filmladen. 111 Min.

Colette

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