Meinungsfreiheit und ihre Grenzen

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Am 31. Dezember 2006 verstarb Innenministerin Liese Prokop. Am 1. Jänner 2007 sorgte Michael Genner, Obmann von Asyl in Not, mit seinen Äußerungen in einem „Nachruf der besonderen Art“ für Betroffenheit und Irritation: „Die gute Meldung zum Jahresbeginn: Liese Prokop, Bundesministerin für Folter und Deportation, ist tot. Frau Prokop war eine Schreibtischtäterin, … ein willfähriges Werkzeug einer rassistisch verseuchen Beamtenschaft. Kein anständiger Mensch weint ihr eine Träne nach.“

Genner wurde wegen des Vergehens der üblen Nachrede für schuldig erkannt und zu einer zum Teil bedingten Geldstrafe verurteilt. Der Oberste Gerichtshof hat erst jüngst die Verurteilung bestätigt:

Es sei nicht verkannt worden, dass Fragen der staatlichen Migrations- und Flüchtlingspolitik Themen von öffentlichem Interesse sind. Allerdings hätten diese Äußerungen jede Sachlichkeit vermissen lassen und primär auf eine Diffamierung der Verstorbenen abgezielt.

Kritik darf zwar verletzen, schockieren und stören, und dem Vertreter einer NGO sei auch ein gewisses Maß an Provokation zuzubilligen.

Die Textstellen würden aber nicht nur durch unangemessene Vergleiche das NS-Unrecht nivellieren, sie würden auch den Kontext einer politischen Diskussion verlassen und hätten die Pflichten und Verantwortungen, die bei öffentlichen Meinungsäußerungen zu berücksichtigen seien, gänzlich negiert. Schließlich erweise sich auch die verhängte Strafe mit Blick auf die in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Tod der Angegriffenen gelegene besondere Pietätlosigkeit als moderat.

Ein extremer Fall, in dem offenkundig politisch motivierte Kritik in einen persönlichen Angriff gekippt ist, der als sogenannter Wertungsexzess nicht mehr toleriert werden kann.

* Die Autorin ist Medienanwältin in Wien und vertritt u. a. den „Standard“

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