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Amoralisch und grell: "Der Jude von Malta" von Christopher Marlowe am Burgtheater.

So machen wir halt Kassasturz und zählen den Gewinn", lautet der erste Satz den der schwerreiche Barabas in Christopher Marlowes Stück "Der Jude von Malta" spricht. Pfui, ein antisemitisches Stück, könnte man meinen müssen. Doch das über vier Jahrhunderte alte Bühnenwerk, eine dieser ebenso kunstvollen wie blutrünstigen Räuberpistolen, die im elisabethanischen England des 16. Jahrhunderts so beliebt waren, ist nicht judenfeindlich, sondern menschenfeindlich. Marlowes abgeklärte, zynische Tragödie, in der das marginale Gute nicht heroisch untergeht, sondern jämmerlich verreckt, hegt keinerlei Zuneigung für seine gemäß traditioneller Typen gezeichneten Protagonisten; egal ob Juden, Christen oder Muslime: Niemand kommt ungeschoren davon. Höchstens der Titelheld gewinnt in seinem absurden Amoklauf gegen diese von Ungerechtigkeit und Heuchelei regierte Welt noch ein wenig Sympathie. Es ist ein Drama ohne den Schimmer einer Hoffnung, dessen letzte Worte - "... und das wahre Lob gebührt nicht Glück noch Schicksal, sondern Gott" - nur als blanker Hohn zu verstehen sind.

Peter Zadek hat bei seiner Inszenierung des "Juden von Malta" am Wiener Burgtheater auf jegliche Betroffenheitsgesten und Antisemitismuswehklagen verzichtet und mit einer absoluten Luxus-Besetzung eine recht grelle Kriminalkomödie mit "Kampf der Kulturen"-Touch auf die Bühne gebracht. Knackige Mädels im Bikini gehören da ebenso dazu wie die laszive Edelnutte Bellamira (Christine Kaufmann), ihr räudiger Zuhälter Pilia-Borza (Ignaz Kirchner), der einäugige Taliban-Hintermann Callapine (ebenfalls Kirchner) oder der schräge Ostjude Schmulchen Meier (Urs Hefti). Hier plant Geldsack Barabas - herrlich manieriert, mit zähnefletschendem Grinsen und rollenden Rs: Gert Voss - seinen Rachefeldzug.

Er, der von dem eiskalten Malteser Gouverneur Farnese (Dietrich Mattausch) zur Beschaffung einer Tributzahlung an die Türken enteignet wird, aber bald von Neuem zu unermesslichem Reichtum kommt, will ganz Malta für das an ihm begangene Unrecht bestrafen und nebenbei auch noch Profit machen. Mit Hilfe seines Sklaven Ithamore (Uwe Bohm) hetzt er zwei junge Ritter, Don Mathias (August Diehl), Sohn des Gouverneurs und Lodowick (Nicki von Tempelhoff), den Sohn einer reichen Witwe (Elisabeth Orth) ins tödliche Duell; er erwürgt einen heuchlerischen Mönch (Peter Kern), bringt einen anderen (Paulus Manker) an den Galgen, er sprengt ein Haus voller islamistischer Söldner in die Luft und vergiftet ein ganzes Nonnenkloster, nur weil sich seine Tochter (Mareike Sedl) dorthin zurückgezogen hat, die sich zuerst für seine Intrigen missbraucht sehen musste und sich schließlich von ihrem Vater und ihrem Glauben abwandte. Sie und ihr Geliebter Don Mathias, die einzigen ehrlichen, guten Menschen gehen schon lange vor dem großen Finale zugrunde: Barabas muss in einem kochenden Kessel verschmoren, ein letztes Mal die Welt verfluchend.

Diese Interpretation passt zur modern-flapsigen Übersetzung ("Genug gequatscht jetzt!". "Die Frau ist super!") von Elfriede Jelinek und Karin Rausch, die freilich kaum noch etwas erahnen lässt von der prunkvollen, bilderreichen Sprache, die den jung verstorbenen Marlowe auf eine Stufe mit seinem Zeitgenossen Shakespeare hebt. "Der Jude von Malta", ein verdrängter Klassiker ohne moralisches Surplus.

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