Mißbrauch der Kultur

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Die Gegensätze in der Kulturproblematik spitzen sich zu: Kürzlich explodierte der bedeutende Kritiker der "Zeit", Ulrich Greiner, der keineswegs eines bösen Konservativismus verdächtigt werden kann, indem er anläßlich einer Inszenierung Hans Kresniks im Hamburger "Schauspielhaus" (Bonassis "Niemandsland") nach ebenso wütender wie treffender Argumentation meinte, "daß dieser Betrieb nicht so weitergehen darf". Eine "andere Ernsthaftigkeit müsse kommen, jetzt sei "Halt" zu rufen und ein "neuer Anfang zu wagen". Nun, ein "Kulturkampf" (durchaus friedlich, aber heftig) ist längst ausgebrochen - nämlich jener eines Teils der Autoren und Regisseure, Intendanten gegen das Publikum.

Der Zorn des Publikums auf einen an Widerwärtigkeiten und pseudo-avantgardistischen Peinlichkeiten sich überbietenden Theaterbetrieb kommt nur deshalb nicht voll zum Ausdruck, weil dieses längst wegbleibt. Wer aber bezahlt und erhält den keineswegs billigen, unerwünschten Betrieb? Die von ahnungslosen und desinteressierten Politikern gegebenen Subventionen. In der Literatur funktioniert dies vor allem in Österreich, wo unverkäufliche und unverstehbare Sprachprodukte epigonaler Art brav subventioniert werden.

Gewiß, woher soll man die Kriterien für Qualität in den Künsten nehmen? Dies ist gar nicht so schwierig, verlangt aber Kennerschaft: Originalität ist wichtig, nicht Nachahmung. Kafka, Joyce, Virginia Woolf, Beckett, Ionesco und einige andere sind hochbedeutend - deren modische Nachahmer sind es nicht. Skandalträchtige Exzesse verraten inneren Leerlauf. Wer alles subventioniert, fördert nicht die Demokratie, sondern Stumpfsinn, Mißbrauch und Diskreditierung der Kultur.

Ausgerechnet Hans Magnus Enzensberger, ein Protagonist der "68er", schrieb: daß Anfang der sechziger Jahre die aktuellen Avantgarden keinen Satz formuliert hätten, "der nicht 50 Jahre früher von Marinetti und den Seinen (,Futurismus') formuliert worden wäre ... Jede heutige Avantgarde ist Wiederholung, Betrug und Selbstbetrug", zudem: "Eine Avantgarde, die sich staatlich fördern läßt, hat ihre Rechte verwirkt." Demokratie ist kein Freibrief von Verantwortung, im Gegenteil. Aber sie erfordert Kenntnisse.

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