Das Thema Weltuntergang oder, in gemilderter Form, der Kulturpessimismus, werden das Leben begleiten, solange es Menschen gibt. Schon in ägyptischer Frühzeit findet man herzzerreißende Klagen, bereits 2000 vor Christus "liegt das Gute überall am Boden ... jeder raubt die Habe seines Nächsten", man sehnte sich nach dem Weltende. Iuvenal, Cyprian, Tertullian, Salvianus, Ambrosius sahen nach furchtbaren Zeiten von Kriegen, hemmungsloser Demoralisierung, von Hunger und Elend die bald bevorstehende Apokalypse als unvermeidlich vor sich.Mit Nietzsche, Spengler, Cioran und vielen anderen
Jetzt ist es klar: Die Schulbuchverleger haben gesiegt. Die Rechtschreibreform wird mit nur wenigen Abstrichen durchgeführt. Die Kaufleute, Manager, Umsatzstrategen waren weitaus geschickter und sehr erfolgreich gegen ihre viel zu spät erwachten Widersacher. Vor allem die Autoren, Professoren, ebenso die Massenmedien und damit die Öffentlichkeit hatten den Ernst der Angelegenheit, als alles noch zu verhindern gewesen wäre, nicht erkannt. Tatsächlich klang die Idee vor Jahren reichlich absurd: wozu eine Reform, wozu der Aufwand - das konnte doch nur der skurrile Einfall irgendwelcher
Durch die enorme Wirkung der Massenmedien, vor allem des Fernsehens, ist die seit langem bestehende Verbundenheit der Politik mit dem Theater gefährlich eng geworden. Gefährlich deshalb, weil ein exzellenter Schauspieler zwar einen Politiker faszinierend darstellen kann, jedoch ohne im geringsten gute Politik betreiben zu können. Ronald Reagan, wie die Weltgeschichte zeigte, könnte da eine Ausnahme gewesen sein. Melina Mercouri machte als griechische Kulturministerin nicht einmal spektakuläre Fehler. Trotzdem ist die Theaterhaftigkeit oder gar Fernseheignung der heutigen Politik eine
Die schwere Wirtschaftskrise in Ostasien zwingt zum Interesse für deren Ursachen und Hintergründe: was waren eigentlich die Triebkräfte des enormen Aufschwungs? Sogleich befindet man sich im Bereich der Kultur und der Geschichte. Japan und die Tigerstaaten gehörten zu einer alten und hohen Kultur, die nicht auf technischen Fortschritt ausgerichtet war. Der Buddhismus war bereits eine Reformbewegung des noch älteren Brahmaismus, und mit Konfutse und Laotse befindet man sich ebenfalls in einer Epoche rund um 500 vor Christus. Seit damals besteht in Ostasien eine kulturelle Kontinuität, die
Warum nochmals "1968"? Dieses Thema ist noch lange nicht zu Ende, und zwar aus dem einfachen Grund: Die Generation, die heute in den wichtigen Positionen sitzt, in den Wirtschaftsbüros, in den Schulen als Lehrer, an den Universitäten als Professoren, gehört zu jenen Jahrgängen, die in ihrer Jugend und Ausbildung vom Klima der damaligen "Kulturrevolution" sehr wesentlich beeinflußt wurden. Daß es sich damals um eine solche Revolution handelte, wird aus einer jetzt zahlreich erscheinenden Literatur klar, die über alle Dokumentationen der damaligen Ereignisse verfügt, etwa Wolfgang
Die Gegensätze in der Kulturproblematik spitzen sich zu: Kürzlich explodierte der bedeutende Kritiker der "Zeit", Ulrich Greiner, der keineswegs eines bösen Konservativismus verdächtigt werden kann, indem er anläßlich einer Inszenierung Hans Kresniks im Hamburger "Schauspielhaus" (Bonassis "Niemandsland") nach ebenso wütender wie treffender Argumentation meinte, "daß dieser Betrieb nicht so weitergehen darf". Eine "andere Ernsthaftigkeit müsse kommen, jetzt sei "Halt" zu rufen und ein "neuer Anfang zu wagen". Nun, ein "Kulturkampf" (durchaus friedlich, aber heftig) ist längst
Die katastrophalen Folgen von Hitler sind noch längst nicht zu Ende beobachtet: so etwa verhinderte die zwölfoder siebenjährige Sperre von "Entarteter Kunst" die Kenntnis einer wichtigen Entwicklung und die Begegnung mit bedeutenden Werken. Sie ließ keinerlei Auseinandersetzung mit damaliger Avantgarde zu - die dann in weitgehender Unwissenheit noch einmal erfunden wurde. Blättert man heute in der ausgezeichneten Dokumentation "Futurismus" von H. Schmidt-Bergmann (Rowohlt 1993), kann man wieder überrascht sein, wie deutlich heutige sogenannte Avantgardismen, die begeistert akklamiert
Viele deutliche Anzeichen gibt es, daß die Psychologie und Psychotherapie immer mehr Zuspruch und Einfluß gewinnt. Die Philosophie hingegen ist beinahe hoffnungslos in nicht mehr atembare Dünnluft des Akademismus und der Seminare geraten. Von Adorno weiter steigen die verbalen Kurven immer höher, komplizierter, unverständlicher, sodaß der Eindruck entsteht, daß es sich nur mehr um ein Insidergeschehen für ein paar Kollegen handeln kann, die intensiv verfeindet oder befreundet sind. Die philosophischen Produkte haben längst vom Boden abgehoben und sich im Dschungel der Privatjargone
Die zunehmend ökonomisch orientierte Grundhaltung im Westen läßt allzuleicht eine im Bereich der Geisteswissenschaften in Rußland hochinteressante Entwicklung unerkannt: dort nämlich wurde nach dem Zusammenbruch des Kommunismus ein Thema nicht nur in den Vordergrund vieler intellektueller Debatten, sondern auch des akademischen Lebens gerückt - die Kulturologie. Nach der totalen Entwertung des "Marxismus-Leninismus" war ein Vakuum deutlich geworden, das nach dem Versagen dieser Lehre ohnedies in Wahrheit lange schon bestanden hatte. Der naheliegende Ausweg aus dieser Situation war die
Wenn man dreißig Jahre zurück an 1968 denkt, dann wird sehr klar, wie wichtig für die Zukunft dieses Jahr war. Damals marschierten die Warschauer-Pakt-Truppen in der CSSR ein und beendeten brutal den Prager Frühling. Alle Hoffnung auf eine sinnvolle Evolution des "sozialistischen" Systems waren damit zerstört. Im Westen erreichten die Aufstände der Studenten die Höhepunkte der Dramatik: in den USA die Proteste gegen den Vietnam-Krieg, in Berlin die Folgen des Attentats auf Rudi Dutschke, in Paris die Demonstrationen von 20.000 Studenten mit umgestürzten Autos und Brandlegungen. Die
Die in der Furche vom 26. März von Otto Friedrich gestellte Frage "Was ist Kultur?" möchte ich unpolemisch und konkret beantworten: Kultur hat nur sekundär mit den Künsten zu tun, was in der heutigen Situation ein Glück ist. Denn die Künste sind weitgehend der Selbstzerstörung anheimgefallen und haben Publikum und Einfluß eingebüßt.Doch die Kultur geht daran nicht zugrunde, denn: Kultur ist humaner Inhalt, der sich im realen Leben ausdrückt und in den Künsten spiegeln kann, aber nicht muß. Die Künste haben diese humanen Inhalte immer wieder in bedeutenden Werken der Antike, der
Manchmal gewinnt man den Eindruck, zwei Kategorien von Menschen gegenüberzustehen: solchen, die zu arbeiten niemals aufhören wollen, und solchen, die so rasch wie möglich die Frühpension anstreben. Die Erstgenannten erklären, daß sie ohne Arbeit nicht leben können, daß sie sich als Pensionisten auf der Welt überflüssig fühlen und in ihrem erlernten und erfahrungsreich ausgeübten Beruf tätig sein wollen, solange es die Gesundheit erlaubt. Die anderen berechnen fast schon bei der Anstellung - oder bald danach - den Zeitpunkt, wann sie sich voll und ganz ins Privatleben zurückziehen
Nach dem Burgtheaterabend mit Otto Mühl steht endgültig fest, daß Claus Peymann zu den kräftigsten Promotoren von Jörg Haider zählt. Noch einige Premieren von Peter Turrini und Elfriede Jelinek könnten nachhelfen, um die SPÖ landesweit noch zahlreiche Wähler zu kosten; denn jetzt hat sich sonnenklar herausgestellt, daß es in der Burg keineswegs um Literatur, um Dramatik, um Kunst geht, die zu diskutieren ist, sondern eindeutig bloß um Skandal.Wäre Otto Mühl (ein Maler, keineswegs ein Schriftsteller) je auf die Bühne des großen Hauses gekommen, hätte er nicht Minderjährige
Nach der Marslandung des Wunder-"Sojourner" griff ich wieder einmal zu Goethes "Faust I", um sozusagen mit dem Faustischen näher und kompetent in Verbindung zu treten. Genau erinnere ich mich noch an die Gründgens-Inszenierung in Hamburg, als beim großen Monolog im Hintergrund der Atompilz plötzlich auf schaurige Weise sichtbar wurde. Gewiß, auch dorthin führt unser faustischer Drang, den wir eigentlich schon dem bös endenden Prometheus verdanken. Blättere ich nun im "Faust" wegen unserer friedlichen kosmischen Eroberungsversuche, so findet man bei Goethe schon allerlei Erstaunliches.
Nur wenige werden sich heute vorstellen können, daß bis vor etwa drei Jahrzehnten die Gepäckkontrolle oder gar die Leibesvisitation in den Flughäfen unbekannt waren. Überfälle während des Fluges gab es bis dahin nicht, das Wort Highjacking war neu. Langsam erst wurden die jeweils mindestens 40 Minuten Zeitverlust vor dem Einsteigen zu jener Selbstverständlichkeit, die sie nun ist. Bis dahin war die Empfindlichkeit des Fluges tabu. Wie viele Jugendliche machen noch in Autobus und Straßenbahn ihren Platz frei für alte Menschen, wie viele junge Leute bleiben noch ernst bei dem Satz
Was eigentlich wird heute ernstzunehmen versäumt? Was wird heute viel zu wenig genau beobachtet, was wird verkannt, was wird unterschätzt, was kann uns schon in Kürze den Frieden, das Wirtschaftsgedeihen, den Wohlstand kosten, ohne daß wir die herannahende Gefahr merken, geschweige denn entsprechend vorsorgen?Die Geschichte unseres Jahrhunderts besteht vor allem aus solchen Versäumnissen und Fehleinschätzungen. Hitler wurde lange nicht durchschaut, sein erschreckendes Buch "Mein Kampf" kaum gelesen, und wenn, dann nicht als deutliche Warnung wahrgenommen. Lenin und Stalin waren in ihren
Zwischen Internet, Daten-Highway und Cyberspace ist es wohltuend und überaus nützlich, sich eine Zeitlang die alte Kontrastwelt zu vergegenwärtigen, die viele hundert Jahre unsere eigentliche Welt war - und wahrscheinlich doch nie aufhören wird, unsere eigentliche Welt zu sein: ein kurzes Nachschlagen über den frühen Drucker und Verleger Aldus Manutius in Will Durants 32bändiger Kulturgeschichte ließ mir die Unentbehrlichkeit dieses kulturellen Bewußtseins sehr deutlich werden.Vor ziemlich genau 500 Jahren brachte der Humanist und Gelehrte Teobaldo Manuzzi eine griechische Grammatik
Gerard Mortier - eine Primadonna ohne Gesang? Ein Pultstar ohne Taktstock? Ein empfindliches Kunstgenie als Manager? Ist er nicht eher eine bestaunenswerte Begabung der Selbstpropaganda? Mortiers Leistung als Leiter der Brüsseler Oper war eine gekonnte Leistung mit wenig Geld, mit Instinkt für Talente und einem durchaus vernünftigen Spielplan - dies alles in kleinem und sparsamem Rahmen. Derselbe Mann auf dem Riesenschauplatz der Salzburger Festspiel mit ihren gigantischen Möglichkeiten mußte natürlich ein anderer werden. Sein persönlicher Geldbedarf stieg radikal auf Starhöhe. Seine
Die kulturellen Folgen der „neuen Post” sind noch gar nicht abzuschätzen. Sicher ist aber bereits jetzt, daß der bisher normale briefliche Kontakt aufs empfindlichste gestört und erschwert wird. Die Teilung in „priorite” und gewöhnliche Beförderung deklassiert die bisher übliche zur unwichtigen, nebensächlichen Post, zwingt also den Schreiber zu erheblicher Verteuerung, auf die er zwar nicht eingehen muß, die er aber auf eigenes Risiko - was Sicherheit und Schnelligkeit betrifft - nur als Falle auffassen kann. Die Warnungstafel der Post ist ja unübersehbar, sodaß man
Ein paar Jahre kann es noch dauern, bis ein guter Schriftsteller, Historiker oder auch ein gewissenhafter Reporter Bilanz zieht: Was ist bis dann aus den freigekommenen Kolonien der imperialen Staaten geworden? Wie sehen die Verhältnisse im Vergleich zum Datum vor der Entlassung in die Freiheit und Selbständigkeit aus? Wie ist es um die Wirtschaft, den Lebensstandard und die Demokratie bestellt? Gab es doch genug leidenschaftliche politische Parolen nationalistischer und kommunistischer Art, die ausländischen Unterdrücker, Blutsauger, Imperialisten loszuwerden und die Autonomie, damit die
Blättert man wieder in den Büchern Lew Kopelews, die man einst aufgeregt durchjagt hat, findet man heute eine Welt vor, die beinahe schon ganz verschwunden ist. Lew Kopelew, ein Mann von riesenhaftem Wuchs, mit mächtigem weißem Bart, starb kürzlich mit 85 Jahren in Köln. Er war mit seinem tiefen warmen Baß eine Gestalt von Tolstoj, jedoch von ganz und gar zeitgemäß stalinistischem Höllenschicksal geformt: einst gläubiger Kommunist, Offizier im großen Krieg gegen Hitler, aber schon im April 1945 „wegen Mitleid mit dem Feind” verhaftet, nach drei Jahren in verschiedenen Lagern
Die Geschichte von Hans Egon Holthusen, der vor fast einem halben Jahr sehr vereinsamt in München starb, wird sicherlich bald einmal ausführlicher geschrieben werden: zwar erhielt er nach seinem Tod in einigen großen Zeitungen vor allem in Deutschland und in der Schweiz einige kluge Nachrufe, doch nirgends war auch nur einigermaßen überzeugend der Dank ausgedrückt, den die junge Generation nach 1945 ihm schuldet. In der „Frankfurter Allgemeinen”, im „Merkur” und anderen Zeitschriften war mit dem neu erwachenden deutschsprachigen Kulturleben der norddeutsche Holthusen jene
Nachdem vor 20 Jahren das Centre Pompidou mit gewaltigem publizistischem Aufwand als ein Weltereignis eröffnet wurde, wird es mit weit weniger Aufsehen -nämlich einigen kurzen Zeitungsnotizen - wieder geschlossen. Was ist eigentlich der Grund? Der vor allem aus Stahl und Glas bestehende Riesenbau mußte gleich von Anfang an immer wieder repariert und verbessert werden. Die praktischen Voraussetzungen für die theoretisch herrlich klingenden vielseitigen Möglichkeiten der Benützung erwiesen sich als unzureichend. Schon nach den ersten Wochen wurden Teile wieder gesperrt und Wege
Die Aufhebung des Todesurteils für Franz Jägerstätter nach mehr als einem halben Jahrhundert nach der Hinrichtung durch die Nazis war ein reichlich verspätetes Zeichen, dem freilich manche bedeutende öffentliche Ehrungen vorausgegangen waren. Um einen anderen Österreicher, der durch eina wahre Heldentat zur Hinrichtung unter Hitler kam, kümmerte sich jedoch bisher in Österreich niemand. Der „Frankfurter Allgemeinen" konnte man kürzlich entnehmen, daß ein Offizier österreichischer Herkunft, Josef Ritter von Gadolla, in den ersten Apriltagen 1945 entgegen dem Befehl weiße
Ein Kaffeehaus in Wien weniger, das sollte doch nicht so schlimm sein, sogar wenn es sich um eines der bekannteren handelt: nun gibt es neben dem Cafe Haag noch das „Landtmann", das „Central" und das „Griensteidl", zwei davon rekonstruiert. Warum trifft aber der Verkauf, die Schließung, die Weitergabe an die Kette „Pizza I lut" des alten und schon etwas schäbig gewordenen Cafe Haag ganz besonders schmerzlich? Das Cafe Haag lag zwischen Schottengasse und Schottenhof und hatte einen Garten in der einzigartigen Idylle des Schottenhofs. Inmitten des dichten und
Natürlich wurde über Sigmund Freud und seine Schüler ausgiebig geforscht, im Lauf der Zeit haben sich Biblio--L 1 theken darüber angesammelt. Dennoch sind manche hochinteressante Fakten nie in weitere Bereiche der Öffentlichkeit gedrungen. Die Tatsache etwa, daß sowohl Freud als auch Alfred Adler, Theodor Beik, Otto Bank und viele andere aus diesem Kreis mit der humanistischen Tradition unserer Kultur in enger Verbindung standen und immer wieder auf wichtige ihrer Elemente zurückgrif-fen - das ist immer noch viel zu wenig bekannt.Als ich einmal Adlers Tochter Alexandra darauf aufmerksam
Albanien wird noch viele Jahre als ideales Biotop für Studien der Massenpsychologie des Verhaltens nach dem Kommunismus ergiebig sein. Die Themen sind 40 Jahre Deformation durch den Kommunismus; 40 Jahre Isolation von der übrigen Welt; Generationskampf, Mißverständnis der Demokratie; Kampf Süd gegen Nord; totaler Bealitätsverlust; Altstalinisten als Pioniere der Freiheit; Freiheit als Anarchie; Kriminelle als Boten der Liberalität; Markt als Chaos und vieles mehr. Das alles auf dem überschaubaren Baum von 3,5 Millionen Einwohnern, und in beispielhafter Deutlichkeit. Sogar der große
Der Tod von Fritz Ilabeck hat nur spärliche Resonanz gefunden. Dennoch war der im täglichen Umgang wortkarge sperrige Mann mit seinen Romanen in der Nachkriegszeit eine der bekanntesten undfneistdiskutierten literarischen Figuren: „Der Tanz der sieben Teufel” (1950), „Das Boot kommt nach Mitternacht” (1951), „Das zerbrochene Dreieck” (1953) zeigten den Krieg („Der Tanz der sieben Teufel” im Milieu des 14. Jahrhunderts), die Nachkriegszeit und das Schicksal der jungen Generation, vor allem die Situation des Intellektuellen zwischen Verantwortung, Zwang und Tod.Fritz Habeck war
Was hat der Kommunismus mit Pyramidenspielen zu tun? Albanien, das kleinste, ärmste und am meisten isolierte Land des kommunistischen Bereichs, gibt unr über ein wichtiges psychologisches Grundmuster des Kommunismus deutlichen Aufschluß. Dieses tragische, verloren gewesene Balkanland hatte sich ebenso von Moskau wie von Belgrad gelöst und nach Peking orientiert, als dessen winziger Brückenkopf in Europa es dahinvegetierte.Die Ideologie war stalinistisch, bis der europäische kommunistische Komplex zusammenbrach und auch für Albanien liberale Verhältnisse begannen. Innerhalb kurzer Zeit
Die Kabarettisierungund Frivolisierungder österreichischen Innenpolitik nähert sich bloß inhaltlich der Satire, läßt jedoch leider jegliche Brillanz und ästhetische Qualität vermissen, die unsere einschlägige Literatur reichlich aufweist.Man kann mancherlei Überlegungen anstellen, wie plump und stümperhaft all jenes ausfällt, das geschrieben von Herz-manovsky-Orlando, Qualtinger, gesungen von Georg Kreisler witzig und tiefsinnig wirkt. Aber was soll schon an fahrlässigem Unsinn, der unbewußt und laufend produziert wird, witzig sein? Etwa die Volksfeste auf dem Wiener Bathausplatz,
Wir haben das Glück, über vier aktuelle Rücher zu ver- • fügen, die uns von vier verschiedenen Positionen hohen Niveaus sehr kompetente Ausblicke ermöglichen. Natürlich ist das eine Zeitfrage: diese vier Werke sind mit größtem Gewinn durchzustudieren. Man sieht von vier auseinanderliegenden, jedoch auf richtiger Höhe befindlichen Punkten wie mit schärfstem Glas das verwirrende Geschehen auf der Ruhne der Gegenwart. Diese vier verschiedenen Rilder zeigen manche Gemeinsamkeiten, manche erheblichen Unterschiede. Jedenfalls werden in dem scheinbaren Chaos der täglichen dramatischen
Eigentlich sollte man über den Kabarettwitz der absurd vergriffenen Autobahn-Vignette im Stil von Herzma-novsky-Orlando oder Polgar schreiben. Eine komischere Satire auf Österreichs Beamte kann es kaum geben: zur Hauptsaison des ohnedies nachlassenden Ausländertourismus werden Mautkleber verordnet, die jedoch an den Grenzen oft gar nicht vorhanden sind. Dafür müssen die einreisenden Autotouristen Polizeistrafe zahlen. Deren Wut und überhaupt die Werbewirkung solch organisatorischer Glanzleistung kann sich jeder vorstellen. Diese Groteske läßt jedoch weit über diese Debakel selbst sehr
Dem Zusammenbrach des kommunistischen Imperiums folgten die gegensätzlichsten Prognosen für die weltpolitische Zukunft: Francis Fukuyama publizierte ein überaus optimistisches Werk mit dem mißverständlichen Titel „Das Ende der Geschichte", das den endgültigen Triumph der Demokratie verkündete. Nun hat Samuel Huntington in seinem Ruch „Krieg der Kulturen" eine ganz andere Perspektive dargelegt: Mit nüchternem Pragmatismus und gestützt auf bewundernswert breites und aktuelles Zahlenmaterial stellt er die überaus problematische Lage dar, in die „der Westen" nach
Aus gegebenem Anlaß”, nämlich der Bestellung des neuen Wiener Kulturstadtrats, wurde in den Zeitungen viel über Sinn und Ziel vori Kulturpolitik geschrieben. Nun geht es nicht darum, solch ein Thema zu diskutieren, denn darüber sollte längst Klarheit bestehen. Wiederum wurde dargetan, daß es drei verschiedene Positionen gibt: Neben einer „ideologischen” Kulturpolitik eine „christlich-humanistische” und eine „liberale” Haltung. Die „ideologische” stößt zwar in den meisten Zeitungen auf Mißbilligung, bewegt aber auch Blätter mit bürgerlicher Leserschaft zu
Zwar ist das Theater des Absurden schon aus der Mode gekommen, doch hat sich längst herausgestellt, daß uns die Wirklichkeit mit viel mehr Phantasie Absurditäten in Überfülle bietet. Der Witz der Realität läßt sogar einen Ionesco verblassen. Wer etwa hätte bisher gemeint, ein Staat fördere die Kunst, um dann die erstellten Kunst- , werke auf den Müll zu kippen? Genau das soll demnächst in Holland geschehen.Ende der proteststürmischen sechziger Jahre hatten Künstler mit „Rilderselbstverbrennun-gen” den Staat in Schrecken und gewaltigen Förderungsenthusiasmus gestürzt. Diese
Die geheimen Reserven der Kultur in Rußland scheinen unerschöpflich zu sein. Noch manche Entdeckung, die neue Aspekte der Geschichte öffnet, ist zu erwarten. Vor kurzem erschien in deutscher Übersetzung ein geradezu sensationelles Ruch von Alexander Etkind (einem Neffen des berühmten zwangsemigrierten Dissidenten Jefim Etkind), der als wissenschaftlicher Schriftsteller in St. Petersburg lebt: Unter dem Titel „Eros des Unmöglichen” (Kiepenheuer, Leipzig) schildert er die enorme Wirkung der Freudschen Psychoanalyse in Rußland.Sie beginnt bereits im Zarenreich, erfährt dann aber im
Gerade in jüngster Zeit fühlt man sich wieder nachhaltig an Sigmund Freuds erhellende Schrift „Das Unbehagen in der Kultur" erinnert. Was treibt die Menschen in Kriege, in Zerstörung und Selbstzerstörung? Was jagte die Serben, Kroaten, Bosnier in den Vernichtungskrieg, anstatt daß sie sich darauf geeinigt hätten, ihr wunderbares Land zum Touristenparadies des Westens zu machen und die Befreiung vom Kommunismus für eine ersprießliche Marktwirtschaft zu aller Vorteil zu nutzen? Was treibt die Basken zum Terror gegen die Spanier, die katholischen Iren gegen die
Zufällig gerät ein Prospekt in meine Hand, in dem eine sechsbändige Ausgabe der Werke von Ortega y Gasset zu einem Vorzugspreis angekündigt wird (98 DM, öS 725-, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart). Aber wer spricht noch von Ortega y Gasset? Wer erzählt noch von den aufregenden, geistreichen, vorausschauenden Büchern dieses spanischen Zeitkritikers und Philosophen? Seine große Zeit war vor dem Zweiten Weltkrieg und nachher in der Phase des Aufbaus nach den katastrophalen Zerstörungen. Mit seinen, ein neues Europa und dessen Voraussetzungen entwerfenden Gedanken gab er den damals
Die Geschichte des Psychiaters Dr. Badovan Karadzic ist noch lange nicht zu Ende. Wie kann ein einst international ernstgenommener Psychiater, der auf manchen Kongressen gute Figur machte, in die Situation geraten, als Kriegsverbrecher angeklagt zu werden, und zwar mit unwiderleglichen Beweisen für Taten, die dem hippokratischen Eid eines Arztes (der er ist) auf haarsträubende Weise hohnsprechen? Befehle zu Massenmord und fanatischer Nationalismus, also verbrecherischer Irrationalismus, Wahnsinnstaten gegen jegliche Humanität - dies alles kommt von einem Mann, der sein bisheriges Leben mit
Wer im Park des Schlosses Schönbrunn die große Allee vom Hietzinger Tor zum Schloß spaziert, wird mit einer höchst originellen „Millenniums-Ausstellung" konfrontiert: es handelt sich nämlich kaum um eine Ausstellung, sondern um eine als solche aufgemachte intellektuelle Anthologie.Die tausend schemenhaft gestalteten Holzfiguren,-die indieser Allee stehen (auf dem schlichten Zementsockel mit Namen bedeutender Österreicher beschrieben) bilden nur das Umfeld für eine von hohen Leinenflächen gangartig gebildeten Sammlung von Zitaten vieler dieser berühmten österreichischen
Der enorme Boom der Psychotherapie, der in Wien bei einem MonsterkongreB geradezu explodierte, konnte schon iiberraschen. Wien als einstige Wirkungsstatte Sigmund Freuds, als Kntstehungs- und Erscheinungsort seiner „Traumdeutung" - das war gut gewahlt. Aber der Ansturm von 4000 Psychotherapeuten aus aller Welt bis zur Mongolei und Afrika - und zwar alle auf eigene Kosten und mit an-sehnlicher Teilnehmergebiihr - dies hatte kaum jemand voraussehen konnen. Der gewaltige erste „AYeltkongreB" der Psychotherapie, der 14 Mil-lionen Schilling kostete und im KongreBzentrum jenseits der
Vom Standpunkt des intellektuellen Reobachters im Westen fielen mir bei den Präsidentenwahlen in Rußland zwei Besonderheiten auf: erstens, waren die Stimmen der dortigen Intellektuellen im Verhältnis zu früher ziemlich leise und unwirksam. Der von ihnen forcierte Jawlinski erreichte nicht mehr als elf Prozent. Die großen Kapazitäten, etwa Solschenizyn, hielten sich zurück. Irgendwelche heiße intellektuelle Debatten vor den Wahlen drangen nicht ins Ausland. Sie spielten im Land selbst kaum eine Rolle.Dort ging es um Demokratie oder Rückkehr des Kommunismus', um ganz harte, konkrete und
Noch nie seit 1989 habe ich einen einst kommunistischen Staat so bedrückt verlassen wie kürzlich Bulgarien. Dieses nur acht Millionen Menschen zählende Land, das von südlichem Licht erhellt und lebhaftem Temperament gekennzeichnet ist, zeigte sich tief verändert. Brot und Mehl waren in diesem potenten Agrarland ausgegangen. Das Benzin wurde über Nacht um das Dreifache teurer. Der Wert der Lewa stürzte innerhalb einer Woche gegenüber dem Dollar um zwei Drittel. Einige Banken waren geschlossen, andere zahlten die Einlagen bloß in Raten aus, Devisenkonten waren nur mehr in Lewa
Der bekannte Jurist Heinz Barazon, der die Nazizeit als Emigrant in Israel verbrachte und nachher wieder in seine Heimatstadt Wien zurückkehrte, äußerte kürzlich in der „Gesellschaft für Literatur" bei einem Vortrag über „Das Bild Österreichs" bemerkenswerte Ansichten, die umso mehr Gewicht haben, als es sich dabei um die Beurteilung durch einen selbst unmittelbar Betroffenen handelt.Barazon spricht von der „ersten Invasion Hitlers, die über die Grenzen der Weimarer Republik hinausging", in bezug auf den Einmarsch der deutschen Truppen am 12. März 1938. Er tritt
Ein durchaus konventionelles Thema: „Die Entstehung des christlichen Europa”: aber wie anschaulich, spannend und seriös geschrieben! Man ist wieder einmal veranlaßt zu sagen, derlei können vor allem die Engländer und Amerikaner, so ohne Prätention, ohne große Geste, ohne belehrende Absicht, jedoch mit spontaner narrativer Regabung. Peter Rrown war Professor in Oxford, lehrt jetzt in Princeton, ist ein hervorragender Gelehrter, der dies vor allem dadurch merken läßt, daß er sein ernormes Wissen ohne jede Selbstdarstellung gleichsam als unerschöpfliches Material eines begabten
Das Bewußtsein der Kulturgeschichte verhält sich merkwürdig und rätselhaft: sehr bekannte Persönlichkeiten verschwinden nach ihrem Tod sofort, andere verbleiben beharrlich in Erinnerung. Jene, die plötzlich dem Gedächtnis der Öffentlichkeit abhanden kommen, tauchen später, oft nach Jahrzehnten, wieder auf, und ihr Werk wird in noch größerem Ausmaß und noch stärker, als es einst war, in den Zeitungen, Zeitschriften, im Theater, im Buchhandel präsent. Fritz Hochwälder könnte das jetzt nach dem gewaltigen Erfolg seiner „Himbeerpflücker" im Wiener „Theater in der
Aus aktuellem Anlaß kann ich empfehlen, einige Taschenbücher von Alfred Adler durchzublättern, die bei S. Fischer erschienen sind: dort findet man zum Thema „Vernachlässigung und mangelnde Zuwendung" (bei materieller Wohlversorgung) der Eltern gegenüber der Jugend (zwischen 1929 und 1933) folgende Sätze: „Das verwöhnte Kind entfaltet sich (natürlich ohne sich dessen bewußt zu sein) in „unfaßbare Selbstliebe und Selbstbespiegelung" und leistet der „Kultivierung seiner Funktionen Widerstand". Befangen in einer imaginären Welt, verweigert es seine Mithilfe bei
Der Eintritt in das Außerordentliche der Kunst ist gerade für den Kenner, den erfahrenen Studierten, ein Wunder. Gerade wenn man mit einer Vielzahl rationaler Mittel Kunstwerke analysiert hat und in den Biographien der Maler, Musiker, Dichter den Wurzeln ihrer Kunst auf den Grund zu gehen bemüht war, gerade dann wird der Grad der Überwältigung umso höher.Versuche, die Voraussetzungen des kreativen Genies zu klären, machen die Dimension des Erstaunens unendlich. Im richtigen Verständnis ist die rationale Untersuchung ein Kniefall vor dem Unerklärlichen.Je genauer und wissensreicher an
Polen ist unter den Ländern mit „interessanten Zeiten" ein Sonderfall. In der mehr als vierzigjährigen kommunistischen Epoche war es ein Land, in dem die psychologischen Mechanismen der zentralen Macht, die Motive des einzelnen Menschen, das Entstehen des Widerstandes aus einem betäubten Idealismus des Anfangs, deutlicher als in jedem anderen Land ähnlichen Schicksals offenlagen. Dies hatte mit der Tatsache einer verblüffend starken katholischen Kirche zu tun. Die in geradezu allen Lebensbereichen spürbaren Spannungen zwischen dem politischen Zentralismus der kommunistischen Macht
Als Slawomir Mrozek seinen „Tango" schrieb, war die Formulierung „Anything goes" (Paul Feyerabend) noch nicht gefunden. Die Kulturrevolution der „drei M" (Marx, Mao, Marcuse) war gerade im Anlaufen. Als die Urauf führung in Warschau unter der Regie Erwin Axers stattfand wurde das Stück vor allem auf die „Roaring Twenties" und ihre Vorgeschichte bezogen: den Anarchismus von Turgenjews „Väter und Söhne", auf Bakunin und Kropotkin, auf die Decadence des „Fin de siecle", auf die revolutionären Aggressionen des Expressionismus. Ihnen folgten im Westen
Die so verschiedenartigen Interpretationen der Gemetzel auf dem Balkan erregen derzeit im Westen viel Aufsehen und werden später noch mehr Beachtung finden, wenn die Geschichte weitergegangen und die Lage von Recht und Unrecht sonnenklar geworden ist. Keine Sorge, die Wahrheit kommt an den Tag, und zwar so, daß auch der naivste Träumer sie nicht mehr leugnen kann. Der Krawall, der über ahnungslose Äußerungen entsteht, ist ein dankbares Medienspektakel, das bald zu Ende kommen sollte.Ich schlage vor, die Zeit, den Raum, die Kräfte einem positiven Thema mit aller Energie zuzuwenden: dem
Daß Historiker, Kulturwissenschaftler, Schriftsteller und Künstler unter den lebensgestaltenden Werten die Kultur an erster Stelle nennen, braucht nicht sehr zu überraschen, obwohl auch das schon selten geworden ist. Geradezu aufregend jedoch ist es, wenn ein Wirtschaftsfachmann und Politologe von internationalem Rang folgendes versichert und über diese These ein 520 Seiten langes, ausführlich fundiertes und glänzend geschriebenes Buch vorlegt und schreibt: „Heutzutage sind so gut wie alle politischen Fragen im Kern wirtschaftliche Fragen", weiters: „Die wirtschaftliche Frage
Als in unserer Situation höchst aktueller Satz erscheint mir eine der stärksten und wirksamsten Formulierungen, die ich überhaupt kenne: Sie steht in den Römerbriefen des Heiligen Paulus und lautet „Gegen alle Hoff- > nung hat er voll Hoffnung geglaubt".Daß man ihrer momentan so dringen bedarf, bezeichnet den Ernst der Stunde. Genau überlegt, ist die darin geforderte und beispielhafte Haltung die einzige, die unserer derzeitigen Lage gemäß ist: Ob man an Österreich, an Frankreich, an Deutschland, an den Zustand der westlichen Wohlfahrts-Demokratien denkt oder an Rußland,
Kenner wissen seit langem, welche Bedeutung der Philosoph Odo Marquard in der heutigen Zeit hat: Leider ist ihm der Schritt in eine größere Öffentlichkeit bisher verwehrt geblieben - vielleicht für einen Philosophen, der in die Zukunft wirken will, das bessere Los.So will ich auf Marquards kürzlich im Fink-Verlag, München, erschienenes Buch „Glück im Unglück" mit allem mir möglichen Nachdruck hinweisen. Auch ein Nichtphilo-soph, wenn er nur intelligent und an den Zeitproblemen interessiert ist, wird das Werk mit großem Gewinn lesen: es nimmt zu den wichtigsten
Das Verhalten der Bevölkerung bei den jüngsten „Angstwahlen" kann dem kulturvertrauten Österreicher keine Rätsel aufgeben, auch wenn die Psychologie gewiß umgekehrt funktioniert hat, als meist kommentiert wurde: die Angst verbreitete Wolfgang Schüssel durch die von ihm beharrlich verkündete Wahrheit von 180 Milliarden Schilling Schulden, die verringert werden müßten. Franz Vranitzky brauchte nur hinzuzufügen: es geht euch gut, es wird schon nicht so schlimm werden, vorausgesetzt, daß ihr meine Partei wählt. Diesem Angebot konnte das österreichische Volk nicht widerstehen,
Im großen Saal der „Akademie der Wissenschaften" in Wien brachte sich die einst legendäre „Österreichische Kulturvereinigung" mit einem Kulturkongreß nach langer Stille sehr markant wieder in Erinnerung. Diese Kulturvereinigung war vor etwas mehr als 50 Jahren im August 1945 gegründet worden und am Wiederaufbau der Kultur in Österreich mit imponierendem Elan und damals erstaunlich weitgespanntem Wissen über alles, was seit 1938 im fremdsprachigen Ausland kulturell geschah, ganz wesentlich beteiligt. Der von den Nazis ins KZ gebrachte ehemalige Unterrichtsminister Hans
Gott sei Dank erregte der Gesetzesvorschlag voh Minister Schölten für ein voll anzuerkennendes „Kurzstudium" (sechs Semester) an der Universität heftigsten Widerspruch. Sowohl bei den Lehrern als auch bei den Massenmedien gab und gibt es energische Argumente gegen eine Zumutung, die gerade in Zeiten, da die Leistungen und ihre Kriterien erhöht werden sollen, wie eine Verhöhnung aller dieser Bemühungen klingt. Als Hohn ist solch eine Zumutung wohl auch gemeint, da auf diese Weise die eigene Haltung am markantesten deutlich wird:Die Menschen sind „gleich" geboren und haben
Die rückläufigen Tourismusziffern in Österreich können niemand verwundern, der die Verhältnisse im Land mit offenen Augen beobachtet: Die Preise in allen Restaurants, Cafes, Hotels sind gegenüber den Nachbarländern überhöht. Die Waren in den Läden meist ebenso, da es sich um Importe handelt, die man günstiger anderswo kauft. Die Leute, die Gäste bedienen, entstammen immer öfter einer Generation, die „bedienen" und eine Haltung der Höflichkeit nicht nur nicht gelernt, sondern zutiefst abzulehnen geübt hat.Will man sich beim Kellner oder der Kellnerin bemerkbar machen, sind
Wie sehr kulturelle und politische Entwicklungen von einzelnen Persönlichkeiten abhängen, wird im Lauf zunehmender Lebenserfahrung immer deutlicher. Das Ausscheiden von Alois Mock, von Erhard Busek oder Gerd Bacher innerhalb eines halben Jahres (so verschieden, ja gegensätzlich diese Charaktere, Temperamente und Intelligenzen in ihren Positionen auch waren) bewirkte gewaltige Veränderungen (die man erst noch richtig ermessen wird) und in der Nachfolge des Wissenschaftsministeriums und des ORF wahre Katastrophen.Im ORF ist es bereits alarmierend klar, im Wissenschaftsministerium (dort
Wenn in einer der letzten Nummern dieser Zeitung zu lesen stand, daß in Österreich nur mehr 15 Prozent der Männer zwischen 60 und 65 Jahren arbeiten, 85 Prozent bereits in Pension sind, in USA und England immerhin 50 Prozent voll im Beruf stehen, in Japan 75 Prozent, in Schweden 60 Prozent, in Deutschland noch 30 Prozent, dann ist jeder gezwungen, nachzudenken, warum dies wohl so ist.Ganz banal ist dazu zu sagen, weil die Frühpension in Österreich besonders einladend angeboten wird.Doch steckt noch anderes dahinter. Wer nämlich gern arbeitet; nimmt auch solche Angebote keineswegs an.
Vierzig Jahre Fernsehen in Österreich”, auf diese zweiein-viertel Stunden lange Sendung mußte man gespannt sein. Natürlich war ein solches Vorhaben von vorneherein dazu verurteilt, eine Skizze voller Lücken zu bleiben - wie hätte dies anders sein können. Daß aber die Skizze derart banal, oberflächlich und einseitig ausfiel, konnte einen objektiven Beobachter nur verblüffen.Eine geradezu stolze Niveaulosigkeit zeigte allein schon die notwendigerweise kurz gefaßte Chronik der vier Jahrzehnte im Stil von blitzschnellen Werbespots, kunterbunt nebeneinander frivolisiert und
Der alarmierende Rückgang des Tourismus hat zweifellos verschiedene wirtschaftliche Gründe (wir wurden schlicht zu teuer), doch gibt es noch andere, die schwer auf die negative Waagschale fallen: Österreich hat in der Welt an Ansehen und Beliebtheit verloren. Vor allem in Deutschland ist dies zu bemerken. Zwar wird im Ausland gar nicht wenig über uns geschrieben, doch muß man feststellen: wenig Gutes.Natürlich gibt es, um von der Kultur zu reden, die großen Namen nicht mehr, sie gehören der Vergangenheit an. Dies gilt für Dirigenten, Sänger, Regisseure, Schriftsteller, Maler,
Daß in der Geschichte Gegensätze einander abwechseln, ist eine sehr einfache Grunderkenntnis, die erst mit den eigenen Erfahrungen das Gewicht konkreter Realität erhält: Noch nach dem Zweiten Weltkrieg waren „das Schöne, das Gute und das Wahre” die Hauptlinie in der Ethik und Ästhetik, und die staatliche Kulturpolitik bezog aus diesemWeltbild die Kriterien für ihre Förderung. Gleichzeitig gab es damals noch trotz der Erschütterungen der'Nazizeit eine Art von Gewißheit, daß sich Qualität und gelungene Leistung in den Künsten von selbst durchsetzen - wenn auch oft mit
Seit einiger Zeit schon sieht es aus, als würde alles, was mit Humanismus auch nur entfernt zusammenhängt, von allen Seiten her angegriffen, ja geradezu lächerlich gemacht und als längst überholter Anachronismus abgetan. Ob postmodern oder anarchistisch, die Richtung ist antibürgerlich, und der Humanismus wird instinktiv und historisch falsch mit Rürgertum gleichgestellt. Nun war gerade der Humanismus einst eine vorbürgerliche und später eine durchaus unbürgerliche Einstellung, die entgegen und ungeachtet aller materiellen Rüchsichten, quer durch alle äußeren Positionen die
Aus menschlichen Tragödien Medienspektakel zu machen, aus Katastrophen Einschaltquoten schindende Rührstücke, aus haarsträubender Dummheit beschränkter Menschen Fortsetzungsserien, die von Sentimentalität triefen - das zählt zu den perfekt gekonnten Errungenschaftenunseres die Technik oft so perfid mißbrauchenden Zeitalters.Wo sind die friedlichen Sommer, in denen zur sprichwörtlichen Saurengurkenzeit das Ungeheuer von Loch Ness regelmäßig zu den Tagen brütender Hitze wiederkehrte! Heute gibt es keinen Mangel mehr an grauenvollen Sensationen, im Gegenteil, sie drohen gerade durch
Die Wahrheit zu sagen, gehört zu einer ethischen Haltung, und diese Haltung hat mit Kultur zu tun. Mit dieser Wahrheit und dieser Kultur steht es schlecht, und zwar gerade dort, wo es eine wahre Sintflut von Information gibt: Wir ersticken an Informationen und haben doch so wenig Wahrheit.Dazu ein deutliches Beispiel yon erheblicher Tragweite: In der deutschen Tageszeitung „Die Welt” stand kürzlich an unauffälliger Stelle (auf Seite 13) die Mitteilung, daß Rußland seit Jahrzehnten zum ersten Mal nicht mehr Getreide importiere, sondern exportiere. Nach der ruinösen Epoche des
Ein grundlegend wichtiger Begriff und eine ihm entsprechende Haltung scheinen heute an Blutarmut, wenn nicht gar an Leukämie zu leiden: Dieser Begriff heißt Humanismus. Der Klarheit willen möchte ich ergänzen: der europäische, also der christliche Humanismus.Endlich könnte das Vorurteil begraben sein, daß der Humanismus einst eine antichristliche Bewegung gewesen ist. Dies war eine Auslegung seiner Feinde. Der historische Humanismus war ein Sproß, ein Trieb der christlichen Position, die der Entwicklung der Zeit, des zunehmenden Wissens und den Erkenntnissen der Naturwissenschaft
Als ich Emile M. Cioran Ende der sechziger Jahre ein Paris besuchte, sagte er mir sehr bald energisch: „Ich interessiere mich nur mehr für religiöse Probleme.” Wir haben oftmals viele Stunden über die jeweils aktuelle politische Situation in Frankreich, Österreich, England, Deutschland gesprochen, ausführlich auch von den kommunistischen Ländern, natürlich von Rumänien. Cioran war noch als Bürger Kaiser Franz Josephs geboren in einem Dorf nahe von Hermannstadt. Seine Mutter sagte ihm später einmal: „Dein größter Fehler war, daß Du nicht deutsch zu schreiben begonnen
Als Thomas Bernhard von der Bühne des Burgtheaters gewaltige Österreichbeschimpfungen losließ und in vielen, vor allem deutschen Zeitungen kräftig nachlegte, waren das noch sonnige Zeiten. Denn Bernhard tat dies immer als bekennender „Übertreibungskünstler” mit saftiger Bosheit, mit satirischem Witz, vor allem jedenfalls mit unbestreitbarem Talent. ,Inzwischen hat sich die Zahl der Österreichbe-schimpfer stattlich vermehrt. Die Erfahrung, daß solche Österreich-Aggressionen sich vor allem in Deutschland so,gut verkaufen, den Namen des jeweiligen Beschimpfers dort grell beleuchten
Die kräftige und breit gestreute staatliche Förderang der österreichischen Verlage hat natürlich ihre Vorteile, insbesondere da die Begabung für effizientes Management im Bereich der Verlage seltener vergeben wurde als die Subventionen.Einst wirtschaftlich sehr potente Verlage wie Paul Zsolnay, Fritz Molden, Paul Neff bestehen entweder nach vielen Krisen nur mehr in Schrampfform oder sind zugrundegegangen. Der Europaverlag setzt nach einem Verkauf eben neue Schritte, Residenz und Deu-ticke befinden sich überhaupt unter staatlichem Dach, Styria bietet immerhin ein beachtliches, weit
Der letzte Träger des Manes Sperber-Staatspreises, der 1938 nach den USA emigrierte Wiener Soziologe Peter L. Berger, publizierte ein neues hochinteressantes Buch „Sehnsucht nach Sinn” (Campus-Verlag). Der Titel läßt sogleich an Viktor Frankl denken, obwohl Peter L. Berger, wie man aus seinen früheren Werken weiß, keineswegs Psychologe und schon gar nicht Arzt ist.Sein vorletztes Werk „Die kapitalistische Revolution” (Atelier-Verlag) ließ deutlich erkennen, daß der in Boston lebende Peter L. Berger sich vorwiegend mit Politik, Wirtschaft und eben mit Analysen der heutigen
Die Tatsache, daß Manfried Rauchensteiners wichtiges Geschichtswerk „Der Krieg in Österreich 1945” in einer billigen Sonderausgabe (538 Seiten, 298 Schilling, Bundesverlag) aufgelegt wurde, kann gar nicht genug gelobt werden. Für jene, die diese Zeit miterlebt haben, bringt das aufregend informative Buch unzählige Fakten, die damals im Ablauf des Geschehens unbekannt bleiben mußten. Die Gefahr, im letzten Moment des Krieges noch zugrundezugehen war groß, und das allgemeine Chaos schuf eine nicht endenwollende Kette existentieller Situationen.Als Karl Jaspers am Beginn des Friedens
Schon nach wenigen Stunden konnte ich feststellen, daß sich die Stadt seit meinem letzten Besuch vor vier Jahren grundlegend verändert hat: Brünn blieb natürlich Brünn, aber sagen, es ist in den Jahren nach dem Kommunismus erheblich mehr Brünn geworden. Ein Bauboom ist ausgebrochen, viele neue Gebäude von Banken und Großunternehmen sind ästhetisch nicht gerade erfreulich. Was aber am meisten auffällt, sind die zahlreichen Palais und alten Bürgerhäuser, die ” zum Teil von privaten Firmen restauriert wurden und nun mit herrlichen Fassaden und schönen Interieurs das Auge erfreuen.
Wir kennen alle die alte Forderung Piatons, daß die Könige Philosophen und die Philosophen Könige werden sollen, und wir wissen freilich auch, wie katastrophal Piaton selbst beim Versuch der Realisierung eines solchen Versuchs in Sizilien scheiterte.Höchst aktuelle und sehr beunruhigende Beispiele zu diesem Thema haben wir tragischerweise durch den Zusammenbruch des Kommunismus erlebt. Da die Intellektuellen bei diesem Umsturz eine entscheidende Rolle gespielt hatten, waren sie nun auch an der Reihe, wichtige Positionen in den neuen Regierungen einzunehmen. Sie sind fast alle gescheitert.
Portugal ist zweifellos ein Land, dem Österreich mehr Aufmerksamkeit widmen sollte als bisher. Um bloß 1,8 Millionen weniger Einwohner als Portugal haben wir und in mancher Hinsicht ein ähnliches Verhältnis zu Deutschland wie die Portugiesen zu den Spaniern. Ein erheblich größerer Nachbar, demgegenüber wir unsere Identität bewahren.Die Portugiesen können dabei auf eine nicht sehr große, aber doch bestehende Verschiedenheit der Sprachen hinweisen, dafür steht kulturgeschichtlich dem Land ein geringeres eigenes Potential zur Verfügung als Österreich. Freilich können auch sie
Die „Österreichische Geschichte 1890-1990” des Salzburger Historikers Ernst Hanisch wird gewiß zahlreiche fachkundige ausführliche Besprechungen erhalten, denen ich als nichtprofessoraler Zeitbetrachter keineswegs vorzugreifen die Absicht habe. Bloß als interessierter Leser und Angehöriger einer Generation, die in ihrer Jugend den Krieg und die Nachkriegszeit in Österreich zu erleben hatte, möchte ich eine Beobachtung mitteilen, die für einen ganz erstaunlichen Aspekt des Verfassers kennzeichnend ist:Auf Seite 422 wird eine Tabelle über die „Einstellung der Österreicher zum
Karl Poppers wenige Monate nach seinem Tod erschienenes Buch „Alles Leben ist Problemlösen” (Piper-Verlag, München) hat die Wucht und Authentizität eines Testaments. Hier schreibt einer, der nicht daran denkt, wie das, was er schreibt, ankommt. Der auf die Schulphilosophen keine Rücksicht nimmt. Hier spricht ein alter Mann, der die Erkenntnis eines langenLebens, all seine Erfahrung zusammenfaßt, und zwar in einfachen, verständlichen Worten. Der 93jährige Karl Popper erklärt in einem Ton von oft fast brüsker Klarheit, was er über den Menschen, die Welt, die optimale und einzig
Sehr erstaunlich ist, daß ein Erdbeben in der Werbe-branche des Fernsehens in Deutschland in den westlichen Massenmedien fast überhaupt keine Resonanz gefunden hat: bloß der „Spiegel” wagte eine drei Seiten, lange Darstellung der absolut sensationellen Angelegenheit. Der nur scheinbar gefundene archimedische Punkt der Fernsehökonomie kam nämlich ins Wanken.Es war, als würde ein Sonnensystem zusammenstürzen. Hatten sich doch die Fernsehdirektionen und die Industrie geeinigt, daß die Feststellung von Einschaltziffern (durch die Nürnberger „Gesellschaft für Konsumforschung”)
Vieles könnte erheblich leichter sein, würde nur dem schlichten Hausverstand gefolgt werden: Ich will hier über das „Sparpaket“ schreiben und nehme die Ethik zu Hilfe, die einfache Sätze gelehrt hat. Zum Beispiel, daß jener, der Vorschriften oder gar Gesetze macht, mit gutem Beispiel vorangehen soll. Ich will gar nicht von Sokrates reden, der seiner Auffassung bis in den Tod folgte, den er durch einen Kompromiß leicht hätte vermeiden können.Warum aber folgen unsere sehr realistischen Politiker, die sich heute energisch für das drin- ' gende „Sparpaket“ einsetzen, nicht zu
Deprimierende Berichte über die Lage in Bulgarien häufen sich. Die politische Situation ist instabil, die Führungspersönlichkeiten wechseln, die Beamten mit ihnen, die erforderliche ruhige Basis für den Aufbau der Wirtschaft fehlt. Wo noch vor zwei Jahren Hoffnung auf eine günstige Entwicklung in der Zukunft geherrscht hat, muß der Realist heute von beunruhigenden und düsteren Verhältnissen sprechen. Streitigkeiten der Parteien, und innerhalb der Parteien zwischen einzelnen Persönlichkeiten, schaffen eine geradezu chaotische Phase.Bei all dieser in Armut und Not führenden
Manės Sperber ist ein wenig länger als zehn Jahre tot, und in dieser Zeit war kaum mehr von ihm die Rede. Seine Bücher wurden in deutscher Sprache nur wenig verkauft, es gab zwei oder drei interessante, in kleinem Kreis beachtete Symposien, manche Vorträge, doch die wirksame Resonanz blieb aus. Die Fachleute waren nicht überrascht. Nach dem Tod einer so stark durch ihre lebendige Aktivität präsenten Persönlichkeit werden erst einmal auch deren Bücher in die Dunkelheit mitgerissen.In der literarischen Branche und bei den Buchhändlern gilt es als normal, daß den großen Nachrufen nach
Mehrfach warnte ich hier vor der sozialistischen Kulturpolitik mit dem Burgtheater und deren Folgen. Natürlich wird niemand der Verantwortlichen diese Worte ernstgenommen haben — denn, so meinte man wohl, wenn auch etwas Wahres darin liegen sollte, welche Auswirkungen auf Parlamentswahlen käme schon den Entscheidungen fürs Burgtheater zu? Auch wenn zahlreiche und sogar prominente Genossen gegen die derzeitige Direktion und deren leichtfertigen Umgang mit Schließtagen, mit Spielplangestaltung, gegen die mangelhafte Vorausplanung, gegen die Auflösung des Ensembles lautstark protestierten,
Der Tod Sir Karl Poppers wird viele Intellektuelle auf der ganzen Welt nachdenklich machen: Was kann Denken bewirken? Woran wird diese Wirkung gemessen? Vermag man in der jeweiligen Gegenwart die Bedeutung eines zeitgenössischen Denkers überhaupt wahrzunehmen?In den Nachkriegsjahren waren Jean Paul Sartre, Albert Camus, Gabriel Marcel in einem geradezu modischen Ausmaß bekannt, und die starke Resonanz, die Karl Poppers „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde’1 anfangs gefunden hatte, trat bald in den*Hintergrund. Poppers vernichtende Analyse nicht nur des Nationalsozialismus, sondern
Die Ratlosigkeit der Intellektuellen wurde und wird in den Medien vielfach beklagt, aber diese Klagen haben nur eine noch größere Ratlosigkeit bewirkt — zu Sarajewo fällt eigentlich keinem Intellektuellen etwas ein. Vor dieser Katastrophe des Irrationalen steht die Welt, und nicht nur die Intellektuellen, fassungslos, und wenn die dortige gegenseitige Vernichtung weitergeht, so scheinen gleichzeitig alle Instrumentarien sowohl der Intellektuellen als auch der kompetenten westlichen Politiker (und übrigens auch der östlichen aus Moskau) total überfordert. Gegen einen Wahnsinnsakt, wie
Wenn Elias Canetti sein erst posthum erscheinendes Erinnerungswerk „Nachträge aus Hampstead“ nannte, hat dies eine besondere Bedeutung. Damit nämlich betonte er, daß die drei vorangegangenen Bände seiner Autobiographie („Die gerettete Zunge“, „Die Fackel im Ohr“ und „Das Augenspiel“) denHauptteil seines Lebens und Werkes beinhalteten, während später die Phase der „Nachträge“ zu finden sei - eine subjektive Feststellung, die zweifellos umstritten sein kann.Elias Canetti war fünfunddreißig Jahre alt, als er Wien 1938 verlassen mußte, und tatsächlich hatten sich die
Gehen wir einer unheimlichen Phase der Anarchie entgegen? Kontrastiert eine neue wilde Jugend immer stärker zur leistungsorientierten Industriegesellschaft? Lassen Vielfalt und Fülle der angebotenen Waren allzuleicht vergessen, daß sie erheblichen Leistungseinsatz voraussetzen?Warum häufen sich erschreckende Anzeichen, daß die Jugend sich in Wahnsinnsanfällen austobt? Chaos-Tage brechen in Hannover aus, wo mehrere hundert Punker alles kurz und klein schlagen, Autos anzünden, Passanten verprügeln und den Verkehr lahmlegen. 600 Jugendliche wurden festgenommen. Politische Parolen gab es
Würde man sich heute bloß dem Bereich der Kultur zuwenden, könnte man fast glauben, sich in einer Phase üppiger Blüte zu befinden. Allerdings müßte man dabei großzügig sein und nicht allzugenau hinsehen: etwa dürfte man nicht verlangen, daß die gespielten und gezeigten Kunstwerke alle zeitgenössischer Herkunft wären, denn sonst bliebe das Angebot sogleich recht mager.Betrachtet man aber die aufgeführten Theaterstücke, die Opern, das Angebot von Ausstellungen in Museen und Galerien, oder die Fülle der produzierten Bücher, so kann man nur von einer Überfülle sprechen. Alte
Es ist ein höchst aktuelles Unternehmen, über die „Schwierige Freiheit" zu schreiben. Wenn Joachim Fest dies tut, kann man annehmen, daß er die Gedanken seines Buches „Der zerstörte Traum, Vom Ende des utopischen Zeitalters" weiterführt. Die „Schwierige Freiheit" (das Buch ist im Siedler-Verlag erschienen)wird zum beherrschenden Problem eben nach dem Zusammenbruch der Utopie. Dann tritt mit erschreckenden Folgen „das Empfinden der Sinnleere" auf, die schon Viktor Frankl als äußerste Gefährdung unserer Zivilisation erkannt hat. Joachim Fest spricht aber
Moskau und St. Petersburg nach drei Jahren wieder zu besuchen bedeutet zunächst einmal die Korrektur des im Westen verbreiteten Bildes. Diese Berichte waren zwar nicht falsch, aber sie fixierten bloß einzelne Punkte. Der Zusammenhang war dem Schreibenden verständlich, dem Leser aber kaum. Sowohl in Moskau als auch in St. Petersburg ist es in diesen drei Jahren deutlich besser geworden. Nicht nur sind alle wünschbaren Waren reichlich vorhanden, auch der Autoverkehr wird immer dichter, es gibt zahlreiche Restaurants, Cafes (beides immer noch zu wenig) der Tourismus hat gewaltig zugenommen,
Seit langem schon beobachte ich, daß auch christliche Politiker — und ebenso christliche Manager oder Unternehmer - nichts oder so wenig wie möglich vom Christentum reden. Sich zum Christentum zu bekennen, scheint unvorteilhaft, unpopulär, ja riskant geworden zu sein.Aber: Niemandem geschieht Schlimmes, der sich für die christliche Religion, für christliche Verhaltensweisen ausspricht. Warum wird dies gerade von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, so sorgsam vermieden? Die Antwort ist klar: Das könnte Wählerstirnmen kosten, könnte bloß im Materiellen lebende Konsumenten
Für mich war die Entscheidung für ein vereintes Europa nie ein Problem, und ich frage mich, wie für einen Menschen, dem Kultur wichtig ist, der Wunsch nach einem gemeinsamen Europa von irgendwelchen Zweifeln begleitet sein kann. Im Bereich der Kultur gibt es nämlich längst ein solches Europa, das freilich durch provinzielle Bürokratien, durch wirtschaftliche Kurzsichtigkeit und engstirnige Nationalismen ständig gestört wird. Die europäische Gemeinsamkeit der Kultur tritt in jeder Stadt, an jedem Ort Europas auf und ist so selbstverständlich geworden, daß allzuviele Staatsbürger sie
Gerade die Künste, die einst die „schönen" genannt wurden, sind seit langem schon richtiger als die „erschreckenden ', die „provokanten", die „deprimierenden" zu bezeichnen - und sie wollen dies auch sein. An ihren Ursprüngen waren sie als Speerspitze gegen die bürgerliche Gesellschaft gedacht, aber nachdem es diese zumindest in derfriih eren Form nicht mehr gibt, taucht langsam die Erkenntis auf, daß der niederschmetterndenWeltsicht ganz andere Motive zugrundeliegen, daß sie aus viel tiefer liegenden Quellen stammt.Hinter dem kaum mehr sichtbaren Feindbild einer bürgerlichen
Ob man auf den Balkan oder nach Afrika bhckt - übrigens auch nach Irland und auf manche Vorgänge in Mitteleuropa -, ein Satz von Sigmund Freud wird auf unheiniliche Weise immer aktueller. „Die Schicksalsfrage der Menschenart scheint mir zu sein, ob und in welchem Maße es ihrer Kulturentwicklung gelingen wird, der Stömng des Zusammenlebens durch den menschhchen Aggressions- und Selbstvemichtungstrieb Herr zu werden" lautet er.Nun, dieser Trieb ist in alarmierender Heftigkeit ausgebrochen, und wrieder einmal toben sich die Wahnsinnsexzesse auf dem Balkan aus.Der gewiß unverdächtige
Die Tatsache, daß Ryzard Kapuscinski den Preis der Leipziger Buchmesse erhalten hat, spricht nachdrücklich für diese Institution. Nun ist Ryzard Kapusciiiski ein Schriftsteller besonderer Art: er schreibt aktuelle Essays, Artikel und Bücher, wobei das ktirzlich erschienene Werk „Imperien, Sowjetische Streifzüge" (Eichbom Verlag, Fraiikfurt/Main) für uns von aufregender Wichtigkeit ist.Gewiß, man liest täglich Berichte über die schwierigen Verhältoisse im Bereich der GUS imd wird langsam müde von dem Pessimismus, den sie verbreiten. Das Riesenreich im Zerfall, der Subkontinent
Unter den Stichwörtern im Anhang der Ein-I heitsübersetzung der Bibel folgen dem Wort „Freude" so viele Stellenhinweise, daß man feststellen muß, es gehe hier um einen in der Heiligen Schrift dominierenden Begriff Nun karm man kaum sagen, daß es sich dabei um die Spiegelung einer dem Leben innewohnenden Dimension handle. Die Welt ist düster und schwarz, und wie es gerade aussieht, könnte die Schwärze eher zunehmen.Natürhch tragen die Massenmedien nicht wenig zu dieser Schwärze bei, da gerade sie über alle Katastrophen auf dem Erdball verläßlich und effektvoll informieren.
In der Ukraine erhalten die Universitätslehrer keine Gehälter mehrAus Kiew erhalte ich die Nachricht, daß mit Anfang des Jahres alle Gehälter und überhaupt alle Zahlungen an die Lehrer der Universitäten und Hochschulen eingestellt wurden. Der Erziehungsminister wandte sich über das Fernsehen an sie mit der Aufforderung, sich andere Beschäftigungen für den Lebensunterhalt zu suchen und ihre Lehrämter als karitative Tätigkeiten beizubehalten. Was in unseren westlichen Verhältnissen wieeine Satire klingt, ist in der Ukraine bitterer Emst. Unter den Professoren, Dozenten und
Man braucht nur in den ehemals kommunistischen Ländern mit Freunden einige längere Gespräche zu führen, um mit Schrecken zu erkennen, wie gut es uns in den westlichen Demokratien geht und wie miserabel den Freunden dort. Gewiß, sie haben nun die Freiheit, weder Telefon noch Wohnungen werden mehr abgehört, sie können auch reisen, aber die berufliche Stellung ist oft gefährdet, die Arbeit in vielen Fällen äußerst kompliziert, strapaziös und frustrierend geworden.Der arbeitslos gewordene Physiker karm wohl ganz verständlich tief enttäuscht sein, weil aus Geldmangel und fehlender
Gerade heute können wir in den Verhererstaa-ten des Zweiten Weltkriegs feststellen, wieviel Gück wir hatten trotz all der furchtbaren Ereignisse.Die sogenannten Sieger im beendeten Kalten Krieg sind zwar ungleich reicher als die Sieger im damaligen blutigen Zweiten Weltkrieg, aber sie befinden sich selbst m einer äußerst miserablen moralischen, kulturellen und pohtischen Situation.Damals nach 1945 schrieben die Amerikaner sogar unsere Theaterstücke, wie etwa Thornton Wilder „Wn sind noch euunal davongekommen". Der Westen war damals zur Stelle mit einem aus der Tiefe des Entsetzens
Gerade die dramatische Situation in Rußland macht den abschließenden dritten Band der Geschichte der „Russischen Revolution“ von Richard Pipes (Rowohlt Verlag Hamburg) so aufregend aktuell. Die uns tief erschreckenden Probleme in Jelzins Kreml werden durch diesen letzten Band der großen historischen Trilogie vollkommen klar und verständlich.Nicht um Details kann es dabei gehen, wohl aber um die Dimension der Katastrophe, die in ihren enormen Ausmaßen derart eingehend und anschaulich zusammengefaßt nur in dem Werk des in Havard wirkenden Professors dargelegt wird.Der dritte