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Ein leistungsfreies Paradies

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Gott sei Dank erregte der Gesetzesvorschlag voh Minister Schölten für ein voll anzuerkennendes „Kurzstudium" (sechs Semester) an der Universität heftigsten Widerspruch. Sowohl bei den Lehrern als auch bei den Massenmedien gab und gibt es energische Argumente gegen eine Zumutung, die gerade in Zeiten, da die Leistungen und ihre Kriterien erhöht werden sollen, wie eine Verhöhnung aller dieser Bemühungen klingt. Als Hohn ist solch eine Zumutung wohl auch gemeint, da auf diese Weise die eigene Haltung am markantesten deutlich wird:

Die Menschen sind „gleich" geboren und haben auch „gleich" zu bleiben.

Alles, was sie später durch verschiedene Individualität und Leistung unterscheidet, hat revidiert zu werden - zumindest müsse man den Kurs in diese Richtung konsequent einschlagen. Statt der Taufe ein Magisterdiplom in der Wiege wäre dann das nächste Ziel, sollte die Gleichheit später nicht durch andere Methoden erreicht werden können. Die leistungsfreie, notenlose, prüfungslose Schule ist ja auch ein Vorhaben, dem in den letzten Jahrzehnten schon kräftig nähergerückt wurde. Wenn dann alle Menschen noch leistungsfrei vom Staat erhalten werden, ist das marxistisch-sozialistische Paradies erreicht.

Daß der Zusammenbruch dieser Visionen bei unseren kommunistischen Nachbarn eben katastrophal demonstriert wurde, ficht unsere Klassenkämpfer nicht an: Vielmehr wird umso nachdrücklicher versucht, Schritt für Schritt die ruinöse Richtung weiterzugehen. Daß Funktionäre aus großbürgerlichen Kreisen daran beteiligt sind, entspricht nur der Tradition dieser sozialen Illusionen, wie wir aus der Geschichte wissen.

Die notwendige Rückkehr zur Vernunft ist dann freilich enorm schwierig, und damit rechnen ja auch alle jene, die das Volk der wenig reflektierenden und unerfahrenen Masse hinter sich glauben. Auf Geschenke, auf Bequemlichkeiten, auf billige scheinbare Gleichstellungen wird ungern verzichtet, auch wenn sie nur durch gigantische Schulden erreicht wurden. Der immerhin eingeführte Selbstbehalt bei einstmals gratis verteilten Schulbüchern war ein positives Beispiel: Es gab keinerlei Aufregung, er wurde als Normalität empfunden und brachte sehr rasch erst einmal 120 Millionen Schilling Einsparung. Sollte nicht dieser Weg irdischer Normalität weitergegangen werden?

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