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Signale eines Zusammenbruches

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In der Ukraine erhalten die Universitätslehrer keine Gehälter mehr

Aus Kiew erhalte ich die Nachricht, daß mit Anfang des Jahres alle Gehälter und überhaupt alle Zahlungen an die Lehrer der Universitäten und Hochschulen eingestellt wurden. Der Erziehungsminister wandte sich über das Fernsehen an sie mit der Aufforderung, sich andere Beschäftigungen für den Lebensunterhalt zu suchen und ihre Lehrämter als karitative Tätigkeiten beizubehalten. Was in unseren westlichen Verhältnissen wie

eine Satire klingt, ist in der Ukraine bitterer Emst. Unter den Professoren, Dozenten und Assistenten, ebenso unter den Studenten, ist Katastrophenstimmung ausgebrochen, und es ist noch unklar, wohin diese Situation führt.

Diese besonders spektakuläre Vorgangsweise ist nur eines von vielen Sym-)tomen des heutigen Zustands in diesem Land. Das Chaos ist ausgebrochen. Aber auch für uns im Westen, wo jedes Jahr dramatisch um die Erhöhung von Gehältem gerungen wird, stellen sich Fragen: nämlich wie es möglich wäre, in Kiew, in Lemberg, in Czemowitz, in Brody und in vielen anderen Orten wirksam zu helfen. Die Defizite sind dort leider so erschreckend groß, daß Hilfe von außen nur in geringen Ansätzen nützen kann.

Natürlich lassen sich in Kiew kaum Gedanken darüber vermeiden, daß es „damals im Kommunismus“ besser war, auch wenn dies hinter geschlossenen Grenzen und mit Zensur und unter völliger Rechtlosigkeit der Bürger der Fall war. Aber vielleicht machen sich doch immer mehr Menschen klar, daß die Perestrojka erst stattfand, als den Herren im Kreml die jetzt eingetretene Katastrophe als unausweichliche Zukunft ihres minösen Systems klar wurde.

Jetzt freihch kann die akute Notsituation der Demokratie angelastet werden (wdeviel Demokratie wurde bisher verwirklicht?), auch wenn dies ganz zu imrecht geschieht. Der Westen sollte dringend Hilfsmaßnahmen überlegen. Und vielleicht sollten vnr darüber nachdenken, vrie gut es uns im Vergleich zu Kiew geht.

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