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Zeitgeschichte als antikes Epos

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Gerade die dramatische Situation in Rußland macht den abschließenden dritten Band der Geschichte der „Russischen Revolution“ von Richard Pipes (Rowohlt Verlag Hamburg) so aufregend aktuell. Die uns tief erschreckenden Probleme in Jelzins Kreml werden durch diesen letzten Band der großen historischen Trilogie vollkommen klar und verständlich.

Nicht um Details kann es dabei gehen, wohl aber um die Dimension der Katastrophe, die in ihren enormen Ausmaßen derart eingehend und anschaulich zusammengefaßt nur in dem Werk des in Havard wirkenden Professors dargelegt wird.

Der dritte umfangreiche Band des Lebenswerkes von Richard Pipes, den man auch unabhängig von den anderen als abgerundete Arbeit bestens lesen kann, ist der Höhepunkt aller mir bisher bekannten Leistungen der Geschichtsschreibung über dieses Thema. Das Zusammenfallen vieler tragischer Ereignisse während des Ersten Weltkrieges im zaristischen Rußland, die furchtbaren Konflikte zwischen aufstrebender industrieller Entwicklung, Bauern, Intellektuellen, realitätsfremd gewordenen Aristokraten werden in ebenso genau wie spannend geschilderten Einzelheiten vor Augen geführt.

Die aus heutiger Sicht fast infernalische Idee aus Berlin, den nach Zürich emigrierten Revolutionär Lenin während des Krieges nach Petrograd zu liefern, damit er dort den Staat zum Zusammenbruch und zum Friedensschluß mit den Mittelmächten bringe, hatte Auswirkungen, die wir auch heute fast noch nicht absehen können. Wer dieses Werk liest, erhält neue Perspektiven, was die Beurteilung heutiger Vorgänge nicht nur in Rußland selbst betrifft.

Kaum ein Romam, kaum ein antikes Epos kann an Wucht, an Dramatik, an spannungsreichen Verflechtungen, an der Faszination utopischer Visionen und am Schrecken des Zusammenbruchs der Qualität und inneren Kraft dieses Buches standhalten: Das Werk gehört nicht nur in die Kategorie der Geschichtsschreibung, sondern ebenso in jene der Literatur.

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