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Wasser predigen, Wein trinken

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Vieles könnte erheblich leichter sein, würde nur dem schlichten Hausverstand gefolgt werden: Ich will hier über das „Sparpaket“ schreiben und nehme die Ethik zu Hilfe, die einfache Sätze gelehrt hat. Zum Beispiel, daß jener, der Vorschriften oder gar Gesetze macht, mit gutem Beispiel vorangehen soll. Ich will gar nicht von Sokrates reden, der seiner Auffassung bis in den Tod folgte, den er durch einen Kompromiß leicht hätte vermeiden können.

Warum aber folgen unsere sehr realistischen Politiker, die sich heute energisch für das drin- ' gende „Sparpaket“ einsetzen, nicht zu allererst ihren eigenen Erkenntnissen? Warum werden, ganz im Gegenteil, Gesetze so gemacht, daß gerade sie von den Sparmaßnahmen gar nicht betroffen werden? Dies ist nicht nur ethisch, sondern auch dem einfachen Hausverstand nach absurd. Dieses Vorge-hen ist auf längere Sicht ein Wahnsinnsakt der Selbstschädigung.

Freiwillige Spenden einzelner für karitative Zwecke sind bloß Gesten, es geht um klaren und grundsätzlichen Verzicht auf, sagen wir, 20 Prozent jener Politikergehälter, ditJetwa über 100.000 Schilling pro Monat liegen. Sollte dies so entsetzlich ins eigene Fleisch schneiden, wo doch viel Ärmeren Abstriche verordnet werden?

Wo bleibt das eigene Beispiel als Vorbild und Beweis dafür, daß die Lage wirklich ernst ist? Wo bleiben die Grundsätze der Solidarität, der Freundschaft, der Gemeinschaft bei den Sozialisten und wo die der christlichen Nächstenliebe, der Bergpredigt und der Paulusbriefe bei den konservativen christlichen Politikern? Ist Politikern das eigene, ohnedies respektable Gehalt, das eigene Bankkonto tatsächlich so viel wichtiger als ihre eigene Erkenntnis und ihre Haltung vor sich selbst?

Sollte nicht bei den Politikern - und zwar sehr rasch - ein demonstratives Umdenken und ein deutlicher öffentlicher eigener Verzicht auf Einkünfte zugunsten des Staatsbudgets stattfinden, verlieren sie die letzte Glaubwürdigkeit. Bundeskanzler, Finanzminister und Regierung sollten mit ganz persönlichen eigenen Verzichten vorangehen, dann wird die Bevölkerung auch deren guten Willen

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