Wandlungen der Kulturen

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Die schwere Wirtschaftskrise in Ostasien zwingt zum Interesse für deren Ursachen und Hintergründe: was waren eigentlich die Triebkräfte des enormen Aufschwungs? Sogleich befindet man sich im Bereich der Kultur und der Geschichte. Japan und die Tigerstaaten gehörten zu einer alten und hohen Kultur, die nicht auf technischen Fortschritt ausgerichtet war. Der Buddhismus war bereits eine Reformbewegung des noch älteren Brahmaismus, und mit Konfutse und Laotse befindet man sich ebenfalls in einer Epoche rund um 500 vor Christus. Seit damals besteht in Ostasien eine kulturelle Kontinuität, die schreckliche Kriege, Hungersnöte und Wirren durchgestanden hat. Das Bewußtsein dieser Kultur in manchen Varianten ging bei einer starken Schicht von Gebildeten keineswegs verloren, sondern gewann im Lauf der vielen Jahrhunderte an Selbstreflexion und Überlegenheitsgefühl.

Der Zusammenprall mit der "neuen westlichen Kultur" galt eigentlich einer "Unkultur", dem gewalthaften Eindringen von Barbaren, die sich vorerst koloniale Herrschaft anmaßten. Der Zusammenbruch der kolonialen Mächte öffnete nun die Möglichkeit, in den neu erschließbaren Bereich der Technik, der Elektronik, der Industrie zu rivalisieren: Papier und Pulver waren lange vor der Erfindung in Europa in Asien erfunden, doch hatte man sie nicht so verwendet wie dort. Das Potential an Intelligenz war gewaltig, aber sie war ganz anders entwickelt und eingesetzt worden. Die Konfrontation mit dem Westen verwandelte sich nun in eine enorme Herausforderung, und da sie bei hohem Kulturbewußtsein gleichzeitig mit einem tiefen Defizitgefühl begann, sammelten sich unerschöpfliche Energien für einen neuen Aufbruch.

Die ersten aufsehenerregenden Erfolgsschritte wurden getan, japanische, koreanische Produkte sind mit Spitzenleistungen in der ganzen Welt präsent. Ein Rückschlag war zu erwarten. Fehler mußten geschehen. Francis Fukuyama, dessen Buchtitel "Das Ende der Geschichte" arg mißverständlich ist, bemerkte höchst kenntnisreich, daß es ohne den Westen die bisherigen Wirtschaftserfolge in Teilen Asiens nicht gegeben hätte. Die derzeitige Krise ist überwindbar, und China beginnt sich auf dem Weltschauplatz erst zu orientieren. Die Zukunft: nicht Kämpfe, aber Wandlungen der Kulturen.

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