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Der Aufbruch ist spürbar
Moskau und St. Petersburg nach drei Jahren wieder zu besuchen bedeutet zunächst einmal die Korrektur des im Westen verbreiteten Bildes. Diese Berichte waren zwar nicht falsch, aber sie fixierten bloß einzelne Punkte. Der Zusammenhang war dem Schreibenden verständlich, dem Leser aber kaum. Sowohl in Moskau als auch in St. Petersburg ist es in diesen drei Jahren deutlich besser geworden. Nicht nur sind alle wünschbaren Waren reichlich vorhanden, auch der Autoverkehr wird immer dichter, es gibt zahlreiche Restaurants, Cafes (beides immer noch zu wenig) der Tourismus hat gewaltig zugenommen, die Anzahl der Hotels ist gestiegen - das alles ist rasch festzustellen.
In unzähligen Gesprächen mit Intellektuellen, Schriftstellern, Journalisten, Wissenschaftlern werden auch die Veränderungen im Hintergrund deutlich - da gibt es natürlich viele Probleme. Ein Mitarbeiter der Moskauer Akademie der Wissenschaften faßte zusammen: „Das erste Mal seit der Krise, die der grundsätzlich wunderbaren Perestrojka folgte, kann ich Ihnen eine positive Entwicklung berichten." Gewiß sind die Waren teuer, die Inflation hat die meisten finanziell schlechter gestellt, aber wer fähig und fleißig ist, wer sich aktiv in den Lehrbetrieb, in das Verlagswesen, in die Massenmedien einschaltet, der kann sich jetzt entfalten. Der Tüchtige (gerade unter den Intellektuellen) kann sich engagieren - diese Leute haben dann kaum mehr eine freie Stunde. Die Demokratie ist ausgebrochen, und zeigt sich an den vollen Kalendern der Energischen, Aktiven.
Schlecht geht es jenen oft sehr sympathischen Menschen, die im alten System sich, soweit es ging, in Nischen, in die Privatsphäre zurückgezogen, die sowohl mit Zensur wie auch mit Reiseverbot einigermaßen gut leben konnten. Wenn sie sich nicht umstellen, haben sie jetzt kaum das Existenzminimum. Dabei sind Ältere benachteiligt, denn für sie ist die Umstellung zur Aktivität oft unmöglich. Um den Preis qualitätsvoller, harter Arbeit ist der Aufschwung nun spürbar. Das bleibt für mich das Korrektiv so vieler pessimistischer Routineberichte.
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