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IM SPIEGEL DER PRESSE

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Gewerkschaffsbewegung allein wahrlich nicht für das Antriebsrad der Welf. Aber eines sollten jene bedenken, die sich über die Schwächung der Gewerkschaften freuen, wenn ein gutorganisierter größerer Betrieb zusperrt. Sie mögen sich in der Geschichte umschauen, und wenn ihnen das zu strapaziös ist, dann mögen sie sich in der Welt von heute Umsehen.

Voraussetzung für Ruhe und Ordnung — die ja die erste Bürgerpflicht sind! — ist eine halbwegs stabile Wirtschaft, in der es keine krassen sozialen Mißstände gibt. Starke, freie Gewerkschaften können mit durchaus friedlichen Mitteln gegen soziale Mifjstände kämpfen. Wo es unfreie, schwache oder gar keine Gewerkschaften gibt, geht es aber häufig drunter und drüber. In Afrika, Asien und Südamerika, ja selbst in Europa gibt es Länder, wo keine starke Gewerkschaft die Unternehmer oder den Staat daran hindern kann, eine Insel des Friedens, des Wohlstands und des Glücks zu errichten. Wo aber sind solche Inseln?

Wer sich darüber freut, datj die Gewerkschaften in einer wirtschaftlichen krisenhaften Situation Ein- bufjen erleiden, handelt gegen seine eigenen Interessen. Nur starke und freie Gewerkschaften sind reele, verantwortungsbewußte Verhandlungspartner.

Darum müssen wir so rasch wie möglich aus der wirtschaftlichen Stagnation herauskommen."

(DIGr.J

„Die 24 Jahre, in denen Bischof May an der Spitze der evangelisch- lutherischen Kirche des Landes stand, waren Jahre des Wiederaufbaues. Die Erfassung und seelsorgerische Betreuung der ungefähr 400.000 Protestanten, einschließlich des Baues von mehr als 120 neuen Kirchen, war dabei eine organisatorisch schwierige, aber dennoch nicht die größte Aufgabe. Viel bedeutsamer ist wohl der Erfolg, daß die Außensetterstellung, in der sich die Evangelischen Österreichs noch in der Zwischenkriegszelt gefühlt hatten, überwunden werden konnte. Ebenso aber konnten die Beziehungen zum Katholizismus aut eine neue, ersprießliche Basis gestellt werden. Offenes, ja freundliches Gespräch aut vielen Ebenen über gemeinsame Frogen, etwa die der gemischt-konfessionellen Ehen, sowie vielfach gemeinsames Auftreten charakterisieren diese Annäherung."

(Ernst-Werner Nusbaum)

„Aus der Ukraine ist ein Manuskript nach dem Westen gelangt, das eine Art Weißbuch über die Verfolgung junger oppositioneller Intellektueller darstellt. Es enthält dokumentarisches Material über zahlreiche Geheimprozesse gegen Studenten, Schriftsteller, Künstler und Arbeiter. Diese Prozesse fanden zwischen 1965 und 1967 statt. Die Angeklagten waren in der Regel 25 bis 30 Jahre alt. Sie kamen durchwegs aus dem Arbeiterund Bauernmilieu und hatten wie die meisten jungen Vertreter der nach- stalinistischen Generation einen Weg durchlaufen, der folgende Stationen aufweist: Mittelschule oder Arbeit in Industrie und Landwirtschaft, dann Abendkurse, Universitätsstudium, Militärdienst und Tätigkeit in wissenschaftlichen oder kulturellen Institutionen. 20 junge Leute, die aus den verschiedensten Gegenden der Ukraine stammen — aus dem industriellen Donezbecken, aus Charkow, Kiew, Wolhynien und aus Lemberg in der Weslukraine, haften sich gegen die totalitäre Unterdrückung des Geistes und gegen den diskriminierenden Status der Ukrainer aufgelehnt. Sie wurden unter Ausschluß der Öffentlichkeit, ähnlich wie Sinjawski und Daniel, zu mehreren Jahren Zwangsarbeit verurteilt und in die Tausende von Kilometern entfernte Mordwinische Autonome Republik deportiert. Das Weißbuch enthält auch viele Briefe, die bisher aus den dortigen Lagern in die Hände der Freunde und Verwandten gelangt sind und in denen das friste Leben der Gefangenen geschildert wird." (ok.)

„Uber den Wert und die Konsequenzen repräsentativer Meinungsumfragen für die Kirche hot sich dei Bevollmächtigte der Deutschen Bi- schotskonferenz bei der Bundesregierung, Weihbischof Heinrich Tenhum- berg, in einem Fernsehinterview ge äußert. Der Bischof bezeichnete dabei Meinungsumfragen als .durchaus für die Kirche legitim', wenn sie sich näher über die unmittelbaren Bedürfnisse der Gläubigen informieren wolle. Tenhumberg zitierte in diesem Zusammenhang das Luther-Wort, daß man ,dem Volk aufs Maul schauen' müsse. Allerdings dürfe sich die Kirche niemals von Meinungsumfragen abhängig machen. Sie haben nämlich einen Auftrag von oben und keinen demokratischen Auftrag von unten.

Insgesamt, fuhr der Bischof fort, halte er die Ergebnisse von Meinungsumfragen nicht für ,ein zuverlässiges Spiegelbild, wohl aber für eine gewisse Orientierung'. Auch die Deutsche Bischofskonferenz werde voraussichtlich schon in absehbarer Zeit erneut Meinungsumfragen von zuverlässigen Instituten veranstalten lassen. Die Themen dafür stünden jedoch noch nicht fest."

(KNA.)

„Die Landflucht in der Sowjetunion, schon seit Jahren fühlbar, macht sich nun in ihren vollen Auswirkungen geltend. Tausende Jugendliche, die des eintönigen Lebens in den Dörfern überdrüssig geworden sind, verlassen die staatlichen und KoHektiv- formen und versuchen in den Städten Fuß zu fassen. Dort werden sie, wie es kürzlich in einem Bericht der „Prawda" hieß, genau von jenem Lebenstil angezogen, gegen den sich der kommunistische Staat mit allen Mitteln wehrt und als ablehnenswert hinstellt: Parties, Kaffeehäuser, westliche Tänze, aber auch — das muß man gerechferweise zugeben — Opern-, Theater- und Museumsbesuche.

Wenn diese an harte Arbeit und Disziplin gewohnten jungen Leute ous den Dörfern in der Großstadt ankommen, haben sie zunächst noch die beste Absicht, sich forfzubilden und zu lernen. Sie besuchen Abendkurse, sie lesen gute Bücher, aber schon nach einem halben Jahr oder früher geraten sie in den Sog des Großstadtvergnügens. Die meisten von ihnen wohnen nicht in den Jugendheimen, die von der Partei und vom Staat empfohlen werden, sondern suchen sich Privatquartiere und entgehen so jeder Aulsicht.

An den Auszahlungsfagen betrinken sie sich und erfinden allerhand Ausreden, um zwei oder drei Tage vom Arbeitsplatz fernbleiben zu können.

Die Mädchen passen sich der neuen Situation besser an, aber auch sie haben viele Probleme. In dem Bericht der ,Prawda' wird bedauert, daß die Landflüchtigen, die sich zum Beispiel in einer Stadt wie Kiew niederlassen, die durch ihre Architektur, ihre Theater und Museen berühmt ist, sich mit dem Kino, dem Tanzlokal, dem Zirkus und dem Fußballstadion begnügen. In der Zeitung wird schließlich die Einführung obligatorischer Kurse für Kunsterziehung in allen Schulen angeregt und festgestellt, daß eine ernsthafte soziologische Studie dieses neuen Jugendproblems in der UdSSR notwendig sei."

(„!m Sog des Grofjsfadfvergnügens/J

„Der schon 71jährige Arnold Toyn- bee unternahm vor einigen Jahren eine beschwerliche Reise durch das Land zwischen Oxus und Dschamna, um dieses Gebiet, dem er einige seiner historischen Studien gewidmet hat, in unmittelbarer Anschauung kennenzulernen. Doch nicht die Strapazen dieser Extratour in einer unwirtlichen Gegend rangen ihm einen Stoßseufzer ab, sondern vielmehr die gänzlich unbeschwerliche Flugreise von London nach Delhi. Zwar sei das Flugzeug ein prächtiges Stück Feinmechanik, doch zufrieden wolle er erst sein, wenn er unterwegs alles sehen könne, was er anschauen möchte. Fliegen allein sei keine Lösung des Problems.

Die Klage ist noch leise, daß unsere Welt durch immer prächtigere Leistungen der .Feinmechanik' immer mehr zusammenschrumpft. Und daß damit auch die Gelegenheiten zu Abenteuern in den so nahegerückten lernen Ländern immer geringer werden — wo doch ein wesentlicher Teil des Abenteuers die Beschwerlichkeiten der Reise sind —, würden nur, vermeint man, Bubenherzen bedauern. Die aber tun es gar nicht, denn ihre Phantasie vermag mühelos auf außerirdische Räume auszuweichen. Lediglich für die Großen ist das Raumfahrtprogramm noch ganz und gar keine Lösung des Problems, denn wer kann sich schon unter die Handvoll Kapselpiloten mischen? Das Genre Reiseabenteuer liegt, wie man sieht, menschlich und literarisch aufs ärgste im argen. Karl May, du hattest es leichter."

(SZ.)

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