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Trügerische Freiheit

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Ein paar Jahre kann es noch dauern, bis ein guter Schriftsteller, Historiker oder auch ein gewissenhafter Reporter Bilanz zieht: Was ist bis dann aus den freigekommenen Kolonien der imperialen Staaten geworden? Wie sehen die Verhältnisse im Vergleich zum Datum vor der Entlassung in die Freiheit und Selbständigkeit aus? Wie ist es um die Wirtschaft, den Lebensstandard und die Demokratie bestellt? Gab es doch genug leidenschaftliche politische Parolen nationalistischer und kommunistischer Art, die ausländischen Unterdrücker, Blutsauger, Imperialisten loszuwerden und die Autonomie, damit die eigene Würde und natürlich den verdienten Wohlstand, zu erkämpfen.

Seit beinahe einem halben Jahrhundert - von einigen Ausnahmen und Varianten abgesehen -ist es nun geschehen: riesige Landstriche mit gewaltigen Naturschätzen stellen ihre eigenen Regierungen, verfügen über ihre Ölreserven, Goldminen, Diamantengruben, über unermeßliche Bestände von Metallen und Rohprodukten aller Art. Freilich sind die europäischen und nordamerikanischen Großkonzerne mit Förderungsrechten und Ölverträgen noch groß im Geschäft, doch der Roden gehört den neuen Staaten, sie erhalten enorme Reträge und machen jene, die über das nötige Kapital und die technischen Kenntnisse, verfügen, zunehmend von sich abhängig.

Wie haben nun diese neuen Staaten ihre neue Autonomie genützt? Unzählige Menschen aus den Kolonialländern hatten in den Metropolen ihrer Kolonialherren mit Stipendien studiert, haben nicht nur beachtliches theoretisches Wissen, sondern auch praktisches Können erworben und waren in der Lage, dies in ihrer Heimat einzusetzen. Der neue Aufbruch in die Demokratie hatte die beinahe euphorische Stimmung einer neuen hoffnungsvollen Epoche mit sich gebracht, und zwar nicht nur in den ehemaligen Kolonialländern selbst, sondern auch in den einstigen Herrenstaaten, die ihr schlechtes Gewissen und die zunehmenden Probleme loswerden wollten. In den Imperialstaa-ten'war die Opposition gegen die Kolonialverwaltung immer heftiger geworden. Was dann in der politischen Realität der selbständigen einstigen Kolonien geschah - wir sehen es täglich im Fernsehen. Wie fällt nun der Vergleich zu früher aus? In Algerien, in Zaire, in Ruanda, in Äthiopien, in Kambodscha? Ein gut geschriebenes Buch darüber wird ein sicherer Bestseller.

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