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Beschimpfungskonjunktur

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Als Thomas Bernhard von der Bühne des Burgtheaters gewaltige Österreichbeschimpfungen losließ und in vielen, vor allem deutschen Zeitungen kräftig nachlegte, waren das noch sonnige Zeiten. Denn Bernhard tat dies immer als bekennender „Übertreibungskünstler” mit saftiger Bosheit, mit satirischem Witz, vor allem jedenfalls mit unbestreitbarem Talent. ,

Inzwischen hat sich die Zahl der Österreichbe-schimpfer stattlich vermehrt. Die Erfahrung, daß solche Österreich-Aggressionen sich vor allem in Deutschland so,gut verkaufen, den Namen des jeweiligen Beschimpfers dort grell beleuchten -was wiederum dessen Büchern zu größerem Umsatz verhilft - diese Erfahrung sorgte für eine kräftige Konjunktur der Beschimpfungspraxis. Robert Menasse, Josef Haslinger, Peter Turrini und noch manche andere (gar nicht zu reden von der Schar der Historiker, die das 50-Jahre-Ju-biläum nützten, gegen das „faschistische Österreich” so richtig loszulegen, sie schwimmen munter auf der marktfreundlichen Welle der heftigen Negativierung des kleinen Landes.

Eine schöne Pointe ergibt sich zusätzlich daraus, daß ihr großer Feind Jörg Haider in den USA gleichzeitig etwas ganz ähnliches tat, nämlich Österreich ebenfalls heruntermachte. Die Masche des Erfolgs durch haßvolle Kritik an Österreich hat sich seit Thomas Bernhard nachdrücklich herumgesprochen und wird immer öfter gewinnbringend praktiziert. Mitunter sogar - und das ist eine weitere Pointe in der kabaretti-sierenden Tragikomödie - mit staatlicher Subventionierung, die ja schon beim Burgtheater beginnt. Wohin soll das noch führen?

Wohlsubventionierte Verlage drucken Österreich-Beschimpfungen, Staatstheater spielen sie, und jetzt könnte es sehr wohl geschehen, daß die mit 50 Millionen Schilling subventionierte Präsentation der österreichischen Literatur bei der Frankfurter Buchmesse dorthin umkippt, wo der große Effekt zu holen ist: zur Beschimpfung jenes Landes, das all dies finanziert.

Österreichische Kulturpolitik besteht im Kern aus rührender Naivität. Vielleicht hilft doch einmal ein ordentlicher Skandal, um die Absurdität solch laienhafter Selbstschädigungen öffentlich klar und wirksam zu machen. Viel Aussicht auf heilsame Folgen besteht - aber man darf gespannt sein.

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