7091442-1994_30_10.jpg
Digital In Arbeit

„ Veränderungsfuror" ohne Gewinn

Werbung
Werbung
Werbung

Es ist ein höchst aktuelles Unternehmen, über die „Schwierige Freiheit" zu schreiben. Wenn Joachim Fest dies tut, kann man annehmen, daß er die Gedanken seines Buches „Der zerstörte Traum, Vom Ende des utopischen Zeitalters" weiterführt. Die „Schwierige Freiheit" (das Buch ist im Siedler-Verlag erschienen)

wird zum beherrschenden Problem eben nach dem Zusammenbruch der Utopie. Dann tritt mit erschreckenden Folgen „das Empfinden der Sinnleere" auf, die schon Viktor Frankl als äußerste Gefährdung unserer Zivilisation erkannt hat. Joachim Fest spricht aber darüber hinaus noch von einer „tiefen Gleichgültigkeit gegenüber der so leidenschaftlich erwarteten Antwort auf die Sinnfrage des modernen Menschen" und zeigt damit den inneren Widerspruch: Sinnleere und Gleichgültigkeit ergeben eine lähmende Mixtur, die Langeweile mit tödlichen Folgen bewirkt.

Autor Fest registriert eine Schwäche der Religionen und den Zusammenbruch der Ersatzreligionen, nämlich der politischen Utopien. Der Liberalismus tritt nur mehr als Struktur zutage, seine einstigen Ideale sind zur Marktwirtschaft, zum freien Markt geschrumpft. Statt Religiosität (so offen sagt Joachim Fest dies nicht) herrscht die „Magna Charta des Egoismus", also das Defizit an Religion führt zur Vergötzung des Materiellen, worauf auch C. G.Jung vielfach und eindringlich hingewiesen hat.

Joachim Fest schildert seine Beobachtungen der heutigen Situation der ohne kommunistisches Feindbild auf sich selbst zurückgeworfenen westeuropäischen Kultur in glänzenden Formulierungen. Er spricht vom „Veränderungsfuror" der Gegenwart, von einem „Veränderungstheater, das alles beim Gewesenen beläßt". Fest selbst ist Liberaler höchsten Niveaus, der die Krise eines zur bloßen Struktur verdorrten Liberalismus erkennt. Die Notwendigkeit einer „Wiederkehr der Ideale", einer aus Religiosität geborenen individuellen Haltung entsteht gewissermaßen unerwähnt aus dieser sehr prägnanten, knappen und bedeutenden Schrift, die zu lesen niemand an unserer Gegenwart Interessierter versäumen sollte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung