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Kurze Euphorie

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Nachdem vor 20 Jahren das Centre Pompidou mit gewaltigem publizistischem Aufwand als ein Weltereignis eröffnet wurde, wird es mit weit weniger Aufsehen -nämlich einigen kurzen Zeitungsnotizen - wieder geschlossen. Was ist eigentlich der Grund? Der vor allem aus Stahl und Glas bestehende Riesenbau mußte gleich von Anfang an immer wieder repariert und verbessert werden. Die praktischen Voraussetzungen für die theoretisch herrlich klingenden vielseitigen Möglichkeiten der Benützung erwiesen sich als unzureichend. Schon nach den ersten Wochen wurden Teile wieder gesperrt und Wege verändert.

Die Mechanismen des multifunktionalen „Kulturkomplexes”, der revolutionär und postmodern geradezu eine neue Epoche einleiten sollte, zeigten sich als unausgereift, als in der ideologischen Theorie überzogen und im praktischen Zusammenspiel als viel zu störungsanfällig und kompliziert. Die Wirkung der dort untergebrachten grandiosen Bilder, ebenso wie der ausgestellten Objekte der Modernen, wurde in der ersten Ausstellung von der eigenwilligen Irritation des nach außen durchsichtigen und die Umwelt einsaugenden Glasungetüms geradezu optisch vernichtet. Also wurden Innenräume und Nischen geschaffen. Die Vorliebe, das Außen nach innen und das Innen nach außen zu wenden, ließ aus dieser Kunstmaschine einen Rummelplatz entstehen, darin die sich auf Rolltreppen hinauf und hinunter bewegenden Menschen eine faszinierende Dauerverwirrung schufen, die eine ruhige Betrachtung und Auseinandersetzung mit der dort ausgestellten Kunst beinahe verhinderte. Die Selbstgeltung der durch Menschenmassen mobil gewordenen Architektur überschrie alles, was sich darin befand und dort abspielte. Aus aller Welt strömte man dorthin und bestaunte das gläserne Monstrum, auf dessen am Rand angebrachten Rolltreppen sich ein herrlicher Blick auf Paris darbot. Sogar die Fachleute begannen zu zweifeln. Den Ausschlag gab freilich die Tatsache, daß die verwendeten Materialien durch Wetter und Verschleiß rasant schadhaft wurden. Der technische Befund verschlechterte sich katastrophal. Der neue Direktor Werner Spies sperrt das Wunderwerk erst einmal zu. Mit Jahrtausendwende findet die Neueröffnung statt, wobei die Kosten auf knapp eine Milliarde Schilling berechnet sind. Eine Weltsensation auf sehr kurzen Beinen.

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