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Die in der Furche vom 26. März von Otto Friedrich gestellte Frage "Was ist Kultur?" möchte ich unpolemisch und konkret beantworten: Kultur hat nur sekundär mit den Künsten zu tun, was in der heutigen Situation ein Glück ist. Denn die Künste sind weitgehend der Selbstzerstörung anheimgefallen und haben Publikum und Einfluß eingebüßt.

Doch die Kultur geht daran nicht zugrunde, denn: Kultur ist humaner Inhalt, der sich im realen Leben ausdrückt und in den Künsten spiegeln kann, aber nicht muß. Die Künste haben diese humanen Inhalte immer wieder in bedeutenden Werken der Antike, der Klassik wiedergegeben, befanden sich aber auch auf Konfrontationskurs, vor allem seit der Moderne, dem Surrealismus, Dadaismus, der Postmoderne. Der Kerninhalt der Kultur zeigt sich jedoch in der Wirklichkeit, in der Lebensform und der Praxis des Zusammenlebens. Menschenrechte, Nächstenliebe, Toleranz, Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, also eine Konstellation gelebter Werte manifestieren Kultur - wenn man die Frage ernst nimmt. Diese Tatsache ist es, die uns helfen kann, inmitten einer fast totalen Konfusion der gegenwärtigen Künste (soweit sie sich überhaupt als solche bezeichnen) nicht ganz zu verzweifeln. Theater, Literatur, weitgehend auch Malerei und sonstige bildenden Künste haben den Kontakt zu den Menschen, die teilnehmen wollen, erschreckend verloren. Die Autoren und Künstler wissen das auch, was ihre Krisen noch steigert. Ihre in publizistische Erfolge führenden Rettungsversuche machen die Lage noch verwirrender. Die Massenmedien, das Fernsehen und Internet schaffen gewaltige Möglichkeiten der Verzerrung. Der kommerzielle und ebenso der politische Populismus ließen ein stets hektischer werdendes Meinungsklima entstehen, das allzuleicht in geistige Resignation führt. Was bleibt, ist Hedonismus, das größere Auto, Reiselust bis zum anderen Teil der Welt.

Die Künste werden gewiß noch eine Zeitlang stolz auf ihr Chaos bleiben. Solange wird man dort nur eine Randerscheinung der Kultur oder überhaupt keine Kultur (nur ihr Gegenteil) finden. Die Qualitäten einer Demokratie, ihre Schulen, Universitäten, ihre sozialen Einrichtungen, der Ton der Menschen zueinander, der dort vorherrscht - sie sind die Kultur, die uns bleibt, die wir selbst einbringen und die uns trägt.

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